1So wie GOtt, des Lichtes Bronnen,
2Als hat das Auge dieser Welt,
3In dem feurgen Rund der Son-
4An das Firmament gestellt:
5So hat er auch an den Höhen,
6Einer kleinen Welt ersehen;
7An dem menschlichen Gesicht,
8Ein recht herrlich Sonnenlicht.
9Dieses sind die zwo Kristallen,
10Die in unsern Haupte stehn,
11Dadurch rege Strahlen prallen,
12Die bis ins Gehirne gehn:
13Dadurch wird der Leib erhellet,
14Und der Seelen dargestellet,
15Was der Erd und Himmelsbau,
16Uns vor Schönheit legt zum Schau.
17Sieht man in den weiten Grenzen,
18Unsers Schöpfers Herrligkeit,
19Aus der Sonnen Spiegel glänzen,
20Deren Anblik uns erfreut;
21So strahlt auch aus dem Gesichte
22Aus dem hellen Augenlichte
23Unsers grossen Schöpfers Zier,
24Dessen weise Macht herfür.
25Dieses klärlich zu beweisen
26So bedenket und erwegt,
27Was in zwey so kleinen Kreisen,
28Was in aller Welt zu finden,
29Muß sich hier gleichsam verbinden;
30Dadurch blikt die Seele an,
31Alles was man finden kan.
32Was sehr gros, sich weit ausbreitet,
33Selbst das breite Firmament,
34Wird ins Auge eingeleitet;
35Und die Sonne die dran brennt,
36Die ein Körper dessen Strahlen,
37Ungeheure Zirkel mahlen;
38Nichts kann so vergrössert seyn,
39Unser Auge schließt es ein.
40Dieses Fernglas unsrer Seele,
41Unsrer Augen doppelt Rund,
42Lieget in zwiefacher Höle,
43Stekt in einem tieffen Grund,
44Lenkt sich zu der Nerven Quelle
45Zum Gehirn, alwo die Stelle
46Da es seinen Ursprung nimt,
47Weil es für dem Geist bestimmt.
48Man kann an dem innren Wesen,
49An der äusren Einrichtung,
50Weil wir mit Bewunderung
51Ein recht künstliches Verbinden,
52Vieler kleinen Theile finden,
53Woraus sichtbarlich erhellt,
54Wer dies Kunstwerk so gestellt.
55Jedes Aug in seinem Fache,
56Ist mit Knochen woll versezt,
57Liegt als unter einem Dache,
58Daß es bleibe unverlezt;
59Es liegt unter einem Bogen,
60Der mit Haaren überzogen,
61Daran noch ein Vorhang hängt,
62Der sich auf und abwerts lenkt.
63Wie gar leicht verderben Glieder,
64Die so künstlich, klein und zart;
65Darum sind sie hin und wieder,
66Oben, unten woll verwahrt.
67Diese Fenster haben Laden,
68Daß kein Zufal könne schaden;
69Diese ziehn in einem Nu,
70Sich wies Noth ist, auf und zu.
71Diese zarten Augenlieder,
72Die stat der Gardienen seyn,
73Fallen wie ein Vorhang nieder,
74Wenn des Lichtes heller Schein,
75Gar zu stark ins Auge blendet;
76Dadurch wird auch abgewendet,
77Mancher Zufal der entsteht,
78Und sich nach dem Augen dreht.
79Sie sind gleichsam in der Mitten,
80Von einander abgetheilt,
81Und ein Vorhang der zerschnitten,
82Abwerts und auch aufwerts eilt;
83Oben, unten angeschlossen:
84Wenn sie beide losgeschossen:
85So ist jedes Aug verdekt,
86Und ins Futteral verstekt.
87Daß sie nicht verschrumpfet liegen,
88Und sich nicht zu langsam drehn,
89Wenn sie auf und abwerts fliegen;
90So hat
91Daß sie an den runden Bogen,
92Der sehr knörplich, aufgezogen,
93Und durch zarter Muskeln Band,
94An dem Rande ausgespannt.
95Sie bestehn aus fleischern Häuten,
96Die von aussen etwas hart;
97Doch sehr sanffte sich ausspreiten,
98Weil sie innerlich sehr zart;
99Und das Auge gar nicht drükken,
100Wenn sie sich darüber rükken;
101Sie sind wenn man sie erwegt,
102Wie mit Sammt sanfft ausgelegt.
103Diese Häutgen die verspüren,
104Leicht wenn was in Augen stekt,
105Wenn sie nur etwas berühren,
106Daß als unrein sie beflekt:
107Und das kan uns dazu nüzzen,
108Daß wir es nicht lassen sizzen:
109Sondern uns so gleich bemühn,
110Weg zu wischen, weg zu ziehn.
111An der Lieder äusren Spizzen
112Allwo sie zusammen gehn,
113Find man steiffe Haare sizzen,
114Die sich oben aufwerts drehn:
115Aber an dem Untern beugen,
116Niederwerts sich künstlich neigen:
117Daß sie nicht durch das Berührn,
118Sich verwikkeln und verliehrn.
119Diese Haare die steif hangen,
120Sind in vielen Fällen nuz;
121Daß sie gleich den Staub auffangen;
122Dienen unsern Aug zum Schuz,
123Wider die Unreinigkeiten,
124Die sie gleich vorüber leiten:
125Damit sie desselben Schein,
126Nicht, wie sonsten schädlich seyn.
127Ebenfals muß man gestehen,
128Daß es weislich eingericht,
129Daß die Haare, als wir sehen,
130Wie es an dem Haupt geschicht,
131Nicht sich in die Länge treiben.
132Sondern ohne Wachsthum bleiben,
133Wenn sie ihre Läng erreicht,
134Wie uns die Erfahrung zeigt.
135Dieses scheinen Kleinigkeiten,
136Und sind dennoch wunderbahr,
137Weil
138Schon gesehn auf die Gefahr,
139Die da könnte die Kristallen
140Unsrer Augen leicht befallen:
141Dafür sind sie nun beschüzt,
142Weil davor die Schutzwehr sizt.
143Wenn wir ihren Bau betrachten,
144Sehen alle Theile an,
145Die bewundernd hoch zu achten
146Und kein Künstler künsteln kan:
147So muß jederman erkennen,
148Daß das Aug ein Werk zu nennen,
149Das die Weisheit ausgedacht,
150Wunderbahr zu Stand gebracht.
151Weislich ist schon an den Augen
152Die rundlänglichte Figur,
153Weil die flachen nicht recht taugen
154Alle Bilder der Natur,
155Die den Mittelpunet bestrahlen,
156Deutlich in sich abzumahlen,
157Als das, was rund ausgehöhlt,
158Wie die Sehekunst erzählt.
159Da die Augen rund gebildet,
160Wird darin der Gegenstand,
161Ohn Verwirrung abgeschildet,
162Und viel leichter, wie bekandt,
163Können sie sich nunmehr wenden,
164Als wenn an den äusren Enden,
165Ekken wären, die im Drehn,
166Nicht so leicht beweglich gehn.
167Jedes Aug besteht aus Häuten, Unter diesen dreien Häuten ist die äuserste sehr hart,
vorne aber in einen ziemlichen Umsange durchsichtig,
und wird daher tunica cornea oder die durchsichti-
ge Horn-Haut genennet. Sie umgiebet das ganze
Auge, und machet rund herum das Weisse in densel-
ben. Unter dieser lieget die andre, die man tunica
uvea oder die Traubenförmige nennet. Diese ist
hinterwerts im Auge ganz schwarz, kleidet die inwen-
dige Höhle aus, und hindert sonderlich daß das Licht
von den Seiten des Auges nicht zurük nach den Bo-
den prallen und die AbbildnngAbbildung der Strahlen an dem-
selben hindern könne. Die dritte Haut bedekket den
Boden des Auges, wie ein seiner weisser Flor und
wird daher die Nezförmige Haut oder Tunica re-
tina genennet. Daran geschehen alle Abbildungen im
Auge, und werden alle Bilder dem Sehnerven, der
dichte hinter ihr lieget, zugeführet.
168Die dreifach sind an der Zahl,
169Und aus so viel Feuchtigkeiten
170Darin sich des Lichtes Strahl,
171Als in einem Spiegel drükket,
172Und zum Mittelpuncte schikket,
173Dran man eine schwarze Wand,
174Findet gleichsam ausgespannt.
175Wenn durch wässrichte Kristallen
176Die das äusre Licht berührt,
177Mancherlei Gestalten fallen;
178Werden sie dahin geführt,
179Wo sie diese Wand bestrahlen,
180Und sich gleichsam dran abmahlen,
181Da hernach der Geist erblikt,
182Was daran ist abgedrükt.
183Was noch sonsten ist zufinden,
184Von den Nerven, Muskeln, Haut,
185Woraus in den hohlen Gründen,
186Ist das runde Aug erbaut,
187Wollen wir nicht weiter zeigen,
188Sondern diesmahl nur verschweigen,
189Weil wir schon genug gesehn,
190Unsern Schöpfer zu erhöhn.
191Kein Theil ist daran so kleine,
192Es hat seinen grossen Nuz,
193Und kein Häutgen ist so feine,
194Es dient dem Kristall zum Schuz;
195Oder muß auf andre Weise,
196Dieses Wundervoll Gehäuse,
197Zu dem Zwek, zu seinem Schein,
198Vortheilhafft und nüzlich seyn.
199Wer die Augen braucht zum Sehen,
200Und aufmerksam nur erwegt,
201Wie das pfleget zu geschehen,
202Daß der Lichtstrahl darin schlägt;
203Wie das was die Häutgen rühret,
204Wird zu dem Gehirn geführet:
205Der erkennt, nur
206Muß derselben Meister seyn.
207Himmel, Erde, Thal und Hügel,
208Sonne, Sterne, Baum und Kraut;
209Alles sehn wir durch die Spiegel,
210Was der Schöpfer hat gebaut.
211Ist er darum nicht zu preisen,
212Das er in so engen Kreisen
213Alles das zusammen zieht,
214Was nur schönes schimmert, blüht?
215Was die Nähe und die Ferne
216In sich hegt, wird uns bekandt,
217Durch dis Paar der lichten Sterne,
218Die des Höchsten Wunderhand
219Uns in unser Haupt gesenket,
220Und so weislich hat gelenket,
221Ja! es wird dadurch die Welt,
222Uns recht deutlich vorgestellt.
223Unsre Augen bleiben sizzen,
224In dem angewiesnen Ort,
225Aber ihre strengen Blizzen,
226Rennen allenthalben fort:
227Wenn sie wieder rükwerts fliegen,
228Bringen sie dem Geist vergnügen,
229Flössen ihm durch ihrem Schein,
230Was sich schönes findet, ein.
231Mensch! erkenne diese Gaben,
232Die wir von der Gütigkeit,
233Eines weisen Schöpfers haben,
234Der die Welt mit Glanz bestreut:
235Brauche deine hellen Augen,
236Lust und Freude einzusaugen,
237Aus dem Dingen dieser Welt,
238Die dir dadurch vorgestellt.
239Aber möchtest du auch lernen,
240In den Tieffen, in den Höhn,
241In der Nähe, in den Fernen
242Allenthalben
243O! so würde durch das Wunder
244Deiner Augen, auch der Zunder
245Reger Andacht angebrandt;
246Wer die Welt nur blos ansiehet,
247Wie ein unvernünfftig Thier,
248Und sich nicht im Geist bemühet,
249Jhre Schönheit, Pracht und Zier,
250Aufmerksam zu überdenken,
251Und das Herz darauf zu lenken,
252Seinen Schöpfer nicht so ehrt,
253Ist der Augen nimmer wehrt.
254Wische den Gewohnheits Schlummer,
255Mensch! aus deinem Angesicht,
256Und vertreib den finstern Kummer,
257Da du kanst das Freuden-Licht
258Das das Herz ergözt, erblikken;
259Sprich im freudigen Entzükken:
260Sol mein steter Vorwurf seyn.
261Wirst du so des Schöpfers Wesen,
262In dem Buche der Natur,
263Durch der Augen Spiegel lesen,
264An der schönen Kreatur:
265So wirst du in allen Werken,
266Seine weise Almacht merken;
267So bringt dir ein jeder Blik,
268Jmmer süsse Lust zurük.
269Brauche ferner dein Gesichte,
270Und lies fleißig in der Schrifft,
271Was dein Auge in dem Lichte
272In des Geistes Wort antrifft:
273Da wirst du gerührt erkennen,
274Daß
275Der durch seine Gütigkeit,
276Auch des Geistes Aug erfreut.
277Lies wie er sich da beschrieben,
278Als ein höchst volkomner Geist,
279Was er denen die ihn lieben,
280In der künfftgen Welt verheist:
281Folge denen heilgen Lehren,
282Jhn im Geiste zu verehren:
283So wird dreinst dir mehr gewährt,
284Wenn dein Auge ist verklärt.
285Deucht dir schon das ein Gelükke
286Wie es auch warhafftig ist,
287Daß dein Auge durch die Blikke,
288Allenthalben Wunder liest:
289Was vor grosse Seeligkeiten,
290Wird dort
291Da der Vater alles Lichts,
292Ist der Vorwurf des Gesichts.
293Wir sehn hier durch einen Spiegel,
294Noch in einem dunklen Wort:
295Aber dort auf Salems Hügel,
296Ist der vollenkommne Ort,
297Wo wir in des Himmels Lichte,
298Unsern
299Was wir hie noch nicht verstehn,
300In volkomner Klarheit sehn.
301Können wir auf denen Auen
302Der bestrahlten Eitelkeit;
303So viel schöne Wunder schauen,
304Da noch viele Dunkelheit;
305Da noch viele finstre Schatten,
306Sich mit Licht und Klarheit gatten,
307Was wird denn zu hoffen seyn,
308Beim verklärten Augenschein?
309Doch mein Geist der faßt das nimmer,
310Und das Auge sieht es nicht,
311Was vor ein gestrahlter Schimmer
312Aus dem Licht der Gottheit bricht.
313Ich bin noch im finstren Lande,
314Da ich vom verklärten Stande
315Noch nicht alles kan verstehn,
316Was des Glaubens Aug gesehn.
317Dieses weis ich, und den Glauben,
318Sol mir weder Höll, noch Welt,
319Und kein teuflisch Spötter rauben:
320Dort in dem bestirnten Zelt,
321Werd ich JEsum dreinst erblikken,
322Da wird sich mein Aug erquikken,
323An den Wundern mancher Art,
324Die der Himmel offenbahrt.