1Warum wird die Frucht des Lebens
2Schönster Engel mir versagt?
3Lieb’ ich denn so gar vergebens?
4Darf kein Griff nicht seyn gewagt?
5Heisset das schon übertreten
6Wenn man nur die Frucht angreifft?
7Sollen denn Egyptens-Ketten
8Niemahls werden abgestreifft?
9Soll ein steter Sclave bleiben/
10Mein so sehr entbrannter Sinn?
11Darf ich nicht die Finger treiben
12An das Land der Lüste hin?
13Kan man das wol dreiste nennen/
14Was die treue Hand verübt?
15Die zum Opffer sich verbrennen
16Hat man jederzeit geliebt.
17So kan auch mein Unternehmen/
18Gar kein Trieb der Geilheit seyn;
19Denn zum Opffer sich bequehmen/
20Nimmt nicht lüstern Geister ein.
21Ist es nicht des Schoosses Ehre?
22Wenn sie krönet meine Hand/
23Weil ich ihr gantz zu gehöre/
24Grüsse ich das schöne Land.
25Wo sind wol die zarten Wellen/
26So des Lebens Perlen thaun/
27Und der Wollust Lager-Stellen
28Als in ihrer Schooß zu schaun?
29Durch das Opffer treuer Finger
30Wird kein Heiligthum beschmitzt;
31So wird auch ihr Schooß nicht ringer
32Wenn sie meine Hand beschützt.
33Schützt den Eingang dieses Landes/
34Hat ihr Mund ja selbst gesagt;
35Ehrt man nicht die Pracht des Strandes/
36Vor den man sein Leben wagt?
37Sündigen denn meine Hände
38Wenn sie ihr Gebote thun/
39Und als eigne Liebes-Pfände
40Bey des Schoosses Eingang ruhn?
41Jsrael geht durch die Wüsten
42Aus der strengen Dienstbarkeit/
43Solte mich denn nicht gelüsten
44Auch zu seyn in Sicherheit?
45Ist nicht in den Rosen-Gründen
46Amors liebster Ruhe-Platz/
47Und die dunckle Grufft zu finden
48So verwahret seinen Schatz?
49Tausend Lüste/ tausend Freuden
50Wohnen in der Marmor-Schooß/
51Und die Myrthen gleichen Heiden
52Ubergehn der Brüste Schloß.
53Durch die Wüsten muß man gehen/
54Wenn man will in Canaan/
55Bey den Brüsten stille stehen
56Nur zum Schein vergnügen kan.
57Selbst die Seele kan es fühlen
58Was sie da vor Lust geneußt/
59Wenn sie kan daselbsten spielen/
60Wo sie fast vor Lust zerfleußt.
61Jene gingen durch die Wüsten/
62Und durchs grosse rohte Meer
63So macht meine Hand vom Brüsten
64Sich durch diese Wüsten leer.
65Zwar ich wil die schönen Ballen
66Jhrer Brüste nicht verschmähn/
67Aber durch die Wüsten wallen
68Läßt weit grösser Anmuth sehn.
69Wo ist wol der Wollust Garten
70Ist es nicht die schöne Schooß?
71Wo Lust und Ergötzung warten
72Nur zu werden Zügel loß.
73Und ist nicht die Schooß die Stelle?
74Die uns alle Anmuth zolt/
75Ist sie nicht die Feuer-Quelle?
76Daraus
77Sie ist
78Und das schöne Morgen-Land/
79Jhre angenehme Seichte
80Macht den Glückes-Strand bekandt.
81Jhre dunckeln Opffer-Hallen/
82So ein Mirthen-Wald umgiebt/
83Sind gezieret mit Corallen/
84Deren Schmuck ein jeder liebt.
85Marmor/ Myrthen und Rubinen
86Sind der Zierath ihrer Schoß/
87Selbst die Anmuth muß ihr dienen/
88Das Ergötzen macht sie groß.
89Drum mein Engels-Kind vergönnet
90Meiner Hand den Kröhnungs-Griff/
91Gebt zu/ daß man sie erkennet
92Vor
93Denn/ als die kahm aus den Wellen
94Schloß sie eine Muschel ein/
95Dieses dadurch fürzustellen/
96Daß sie solte heilig seyn.
97Ja! ihr Ansehn zu vermehren
98Ist sie in die Schooß gesetzt/
99Will ich sie nun nicht verehren/
100So ist
101Dieses heist die Muschel kröhnen
102Als ein Opffer mit der Hand/
103Und nennt jenes ein Verhöhnen/
104Wenn man ihr den Dienst entwandt.
105Drum/ ihr Zieraht aller Schönen/
106Zürnet nicht mit eurem Knecht/
107Wenn er eure Muschel kröhnen
108Wollen nach der
109Werfft die Schaam mein Engel nieder/
110Und seyd doch so spröde nicht/
111Da dem Zierath eurer Glieder
112Gar kein Uberlast geschicht.
113Jene Freyheit meiner Hände
114Wird gantz unrecht ausgelegt;
115Indem ich mich euch verpfände
116Es der Geilheit Nahmen trägt.
117Nicht zu strenge/ hegt erbarmen/
118Schliest den Freuden-Ort nicht zu/
119Sonsten raubt eur Zorn mir Armen
120Meiner matten Geister Ruh.
121Brüste heissen Sodoms-Früchte/
122Die im Schauen lieblich sind/
123Aber ein vergnügt Gerichte
124Man an ihrer Muschel findt.
125Nicht zu strenge
126Ach hegt doch Barmhertzigkeit/
127Seyd so gütig/ als ihr schöne/
128So wird meine Brust erfreut.
129Warum soll ich denn verderben/
130Und im Feuer untergehn?
131Bald im kalten Eyse sterben
132Und mich stets gequälet sehn?
133Führet meine treuen Sinnen
134In den angenehmen Port/
135Daß sie freudig sagen können/
136Dieses ist der schöne Ort:
137Da man kan in süssen Lüsten
138Und in Anmuth truncken seyn;
139Denn man schmecket bey den Brüsten
140Allezeit gemischten Wein.
141Was ist sonst der Lüste-Quelle?
142Als ihr Schooß mein Engels-Kind/
143Und die freuden-volle Stelle?
144Da man Lebens-Stärckung findt.
145Alle Tage sich von neuen
146Da ein neu Ergötzen regt/
147Und der rechte Liebes-Reyen
148Wird in einer Schooß gehegt.
149Nun weiß ich/ daß
150Jhr mirs ferner nicht versagt/
151Daß ich eure Schooß bekröne/
152Da es