Georg Herwegh: Morgenruf (1843)

1Die Lerche war's, nicht die Nachtigall,
2Die eben am Himmel geschlagen:
3Schon schwingt er sich auf, der Sonnenball,
4Vom Winde des Morgens getragen.
5Der Tag, der Tag ist erwacht!
6Die Nacht,
7Die Nacht soll blutig verenden. —
8Heraus, wer an's ewige Licht noch glaubt!
9Ihr Schläfer, die Rosen der Liebe vom Haubt,
10Und ein flammendes Schwert um die Lenden!

11Die Lerche war's, nicht die Nachtigall:
12Erhebt euch vom Schlummer der Sünden!
13Schon wollen die Feuer sich überall,
14Die heiligen Feuer entzünden.
15Frisch auf und die Waffen gefeit!
16Der Streit,
17Der Gottesstreit soll beginnen.
18Hinweg aus des Liebchens rosigem Arm
19Und hinein in der Feinde gepanzerten Schwarm
20Und auf fliegenden Rossen vonhinnen!

21Die Lerche war's, nicht die Nachtigall:
22Kein Küssen gilt es und Kosen,
23Sie singt von nahendem Donnerhall,
24Sie singt von des Schlachtfelds Rosen,
25Den Rosen, damit in Todeslust
26Die Brust,
27Die Brust der Helden sich schmücket.
28Drum auf und wohlan: bis frei die Welt,
29Sei der Himmel ein einig Kriegergezelt
30Und der Dolch der Rache gezücket!

31Die Lerche war's, nicht die Nachtigall:
32So laß, o Jugend, dein Träumen!
33Und wie von den Bergen mit Jubelschall
34Die muthigen Wasser entschäumen,
35Und wie sie jagen in's tiefste Thal
36Den Strahl,
37Den silbernen Strahl durch's Gelände:
38So gieb ihr dein Blut, so gieb ihr dein Wort,
39Daß die Erde nicht ganz und gar verdorrt,
40So gieb ihr dein Herz und die Hände!

41Die Lerche war's, nicht die Nachtigall:
42Die kecke Gespielin der Wolke
43Fliegt jauchzend hinter dem Sonnenball,
44Hoch über dem staunenden Volke;
45Und unter dem Scheffel bleibt auch nicht
46Das Licht,
47Das Licht der Freiheit verborgen;
48Viel tausend Herzen sind angefacht,
49Und preiset die Liebe die Sterne der Nacht:
50Die Völker, sie preisen den Morgen.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Georg Herwegh (1817-1875)

* 05/31/1817 in Stuttgart, † 04/07/1875 in Lichtental

männlich, geb. Herwegh

revolutionärer deutsch-schweizerischer Dichter

(Aus: Wikidata.org)

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