1Erwählte Göttin meines Strandes!
2Beglückte Mutter dieses Landes!
3Luise! Fürstin! Große Frau!
4Durchlauchtigste! voll Gnaden-Triebe!
5Die ich erfüllt mit Mutter-Liebe
6Für alle Unterthanen, schau!
7O wollten schöne Worte fliessen!
8Die Leine sollte sich gedoppelt stark ergiessen.
9Wie werd ich doch im Geist entzücket,
10Daß mich ein hoher Wink beglücket,
11Den Tag der Wonne zu begehn!
12Den Tag, woran nach Frost und Kummer,
13Nach Warten, Sehnen, langem Schlummer
14Mein Angesicht soll freundlich sehn,
15Um durch ein aufgewecktes Lachen
16Weil meine Fürstin lebt, mein Glücke kund zu machen.
17Tag! deiner Morgenröthe Schimmer
18Treibt aus des Felsens hohlem Zimmer
19Die Nacht gewohnter Dunkelheit,
20Und dein Entstehn zeigt mir im Bilde
21Durch jener Thäler Lustgefilde
22Den Fels in seiner Herrlichkeit,
23Worauf der Fürst zu wohnen pfleget,
24Der nur zu unserm Heyl den Fürstenstab beweget.
25Von jenen blau gefärbten Gränzen,
26Die Mittagswärts das Land umkränzen,
27Wo mancher Hügel aufgethürmt;
28Da komm ich her, die Hand zu küssen,
29Die mich bey meinen Wassergüssen
30So lange väterlich beschirmt;
31Mein dankbar Herze wird mir klopfen,
32So lange sich bey mir die Qvellen nicht verstopfen.
33Bey alle diesem ist es Schade,
34Daß ich für solche grosse Gnade
35Nur schlechtes Wasser liefern kann,
36Ein tröpfelnd Moos, Schilf, Wasser-Linsen,
37Geringe Schmerlen, Meer-Gras, Binsen,
38Wer hat wohl seine Lust daran?
39Doch Theure Herzogin! Sie sehen;
40Daß diese Dinge längst zu Dero Diensten stehen.
41Da wohn ich einsam bey der Qvelle,
42Aus welcher meine Fluth ganz helle
43Fließt, eilet, schäumt, denn langsam rollt;
44Da bin ich, mit mir selbst zufrieden,
45Von allen Neidern unterschieden,
46Dem ruhigen Vergnügen hold,
47Und gäbe nicht vor Millionen,
48Daß mich mein Herzog läßt in diesem Winkel wohnen.
49Hier deckt mich Lust und stilles Schweigen,
50Wenn meine Wasser aufwärts steigen,
51Macht mich ihr kühnes Sprudeln naß,
52So werd ich doch darum nicht böse,
53Denn dieß unruhige Getöse
54Bereichert stets mein Urnen-Faß,
55Woraus nach aufgefangnem Triefen
56Ein Bach stürzt, fällt und rollt in segensvolle Tiefen.
57O Qvell entzückender Gedanken!
58Verwildert Buschwerk! rauhe Schranken!
59Wie wunderschön ist deine Pracht!
60Jedoch behalt ich unvergessen;
61Die Lust sey Jhnen zuzumessen,
62Die mir mein holder Winkel macht;
63Holdseeligste! mein Wohlergehen
64Kann sein zukünftig Glück in Dero Gnade sehen.
65Durchlauchtigste! darf ich erwehnen
66Welch unaussprechlich grosses Sehnen
67Mich Wasser-Nymphe näher bringt?
68So wie nach bitterlichem Weinen
69Ein zarter Säugling beym Erscheinen
70Der Mutter voller Unschuld springt,
71So ist mir eben wiederfahren,
72Als diesen Morgen Sie von mir zu sehen waren.
73Als mich ohnlängst das Waldhorn weckte,
74Verwirrtes Jagd-Geschrey erschreckte,
75Verkroch ich mich für Furcht ins Rohr,
76Jedoch steckt ich, wiewohl verstohlen,
77Bey manchem kurzen Odemholen
78Aus Neubegier den Hals hervor,
79Und als ich meine Fürstin sahe,
80Wie froh! ‒ ‒ Doch wußt ich selbst nicht, wie mir
81Seitdem nun ist es nicht geschehen,
82Ein Angesicht noch eins zu sehen,
83Das lauter Mutter-Herz verspricht;
84Mich dünkt, ich sah es dazumahlen
85So huldreich und so lieblich strahlen,
86Wie eines Engels Angesicht,
87Ach! möcht es eine Fügung schicken,
88In meiner Grott einmahl die Fürstin zu erblicken!
89Da sähen Sie in hohlen Steinen
90Ein schwaches Licht durch Ritzen scheinen,
91Und diese graue Finsterniß
92Zeigt Muschelschalen, kleine Schnecken
93An hundert ungeschliffnen Ecken,
94Den Boden pflastert glatter Kies,
95Gewässert Schilf dient mir zum Küssen
96Worauf sich ohne Zwang die Augen selber schliessen.
97Hier lag ich, als die Dämmrung eben
98Der Nacht den Abschied wollte geben,
99Mit unterstütztem Kopf und Arm,
100Da kam, gleich munterem Geflügel,
101Von Wald-Bewohnern dieser Hügel
102Ein Mohren ähnlich froher Schwarm,
103Aus vollem Halse schreyend: Heute ‒
104Was? sprach ich; Feyertag! wer sagt es? alle Leute!
105Geschwinde fuhr ich aus den Klüften,
106Und da vernahm ich in den Lüften
107Der Pauken und Trompeten Schall;
108Drauf rudert ich mit Händ und Füssen
109Durch meiner Bäche krummes Fliessen,
110That aber Anfangs manchen Fall,
111Bis ich aus einem Lobgesange
112Von Kindern hörete; die Fürstin lebe lange!
113Das Ende solcher Freuden-Lieder
114War denen Ohren fünfmahl wieder
115Von Berg und Thal zurück geschickt.
116Doch fuhr ich fort in manchen Krümmen
117Durch Feld und Wiesen hinzuschwimmen,
118Als ich den Inselsberg erblickt,
119Gab ihm mein Haupt ein höflich Zeichen
120Gleich fing er lächelnd an den blauen Bart zu streichen.
121Das war mir lieb; er hat vor diesen
122Sich mir oft ungeneigt erwiesen,
123Wenn er die Stirne finster macht,
124Auch mir als seinem Enkel-Kinde
125Durch zugeschickte trockne Winde
126Mein Erbe zu entziehn gedacht,
127Doch neigt ich mich, sah freundlich, lachte,
128Bis daß mein Ufer mich in diese Gegend brachte.
129Da hat ein günstiges Geschicke
130Mir Dero mütterlichen Blicke
131In ihrer Lieblichkeit gezeigt,
132Doch durfte kein verwegnes Wagen
133In Wasser-Götter Mundart sagen:
134Da meiner Fürstin Glücke steigt,
135So muß bey allen treuen Sachsen,
136Absonderlich bey mir zugleich die Freude wachsen!
137Geh, feuchtes Blatt! du sollst nur zeugen,
138Mit was für einem tiefen Beugen
139Mein Haupt den Friedenstein verehrt,
140Den Fels, der Lieb und Furcht erreget,
141Weil er des Landes Eltern träget,
142Die solches schönen Nahmens werth,
143O lebet lange! Theure Beyde,
144Daß meine Grotte nichts von Ueberschwem̃ung leide!
145Jüngst wollt ich schon ein Opfer bringen,
146Von Friedrichs Wohlthun wollt ich singen,
147Er schenkt uns die Zufriedenheit;
148Von Jhm ist unser Heyl zu hoffen,
149Ach! rief ich; Augen, bleibet offen,
150Die ihr des Landes Sonnen seyd;
151Allein, der Vorsatz gieng verlohren,
152Die Kälte war so groß, daß mir der Mund gefroren.
153Wird aber einstens jener Morgen
154Die grüne Welt mit Thau versorgen,
155Der dieser Länder Hoffnung stärkt,
156Gut, so ‒ ‒ wiewohl, er mag erscheinen,
157Ich habe schon mit bunten Steinen
158Solch Kommen heimlich angemerkt;
159Ohnmöglich kann ich mich bezwingen,
160Die ganze Gegend soll von seiner Gnad erklingen.
161Du, aller Qvellen Ursprung droben!
162Wie bist du doch dafür zu loben,
163Daß du mich in dieß Land gebracht,
164Wo meine Wasser langsam rollen,
165Und gar zu ungern weiter wollen,
166Sie drehn, sie krümmen sich mit Macht,
167Weil Lieb und gnädiges Erbarmen
168Die Herzen hebt und trägt mit mütterlichen Armen.
169Wohl euch, ihr frohen Unterthanen!
170Laßt euch den Weg zu Wünschen bahnen,
171Denn ihr genießt die güldne Zeit;
172Jhr könnet unter Feigen-Bäumen
173Bey eurem Weinstock ruhig träumen,
174Was gleichet dieser Seeligkeit?
175Jhr wohnet in dem Paradiese,
176Weil Herzog Friedrich lebt, und Dorothee Luise.
177Und ja! so viel ich wahrgenommen,
178Als ich auf meiner Fluth geschwommen,
179Die Lieb’ ist wirklich allgemein;
180Das Alter wünscht der muntern Jugend,
181Gott, ihrem Herzog, denn der Tugend,
182In unsrer Fürstin hold zu seyn;
183Seht, sagt es, ist Jhr Angesichte
184Nicht schöner, als der Mond in seinem vollen Lichte?
185O meine Bäche, lauft geschwinde,
186Begleitet von geneigtem Winde!
187Eilt! sagt doch jener Gegend an,
188Wohin, Georgen zu erblicken,
189Die Erden-Götter Bothschaft schicken,
190Was sich mein Ursprung rühmen kan;
191Erzehlt, daß euch vor andern Flüssen
192Ein recht gelobtes Land zum Erbe werden müssen.
193Malt ihnen die glückseelgen Auen,
194Wie ihr sie pfleget zu beschauen,
195Mit euren blassen Farben vor;
196Erfüllet mit der fetten Wayde,
197Mit Triften, reifendem Getrayde,
198Zugleich ihr aufmerksames Ohr,
199Stellt Friedenstein in blaue Ferne,
200Damit ihr Auge nur die Gegend kennen lerne.
201Hernach gedenkt von unsern Tagen;
202Und wenn sie euch ausführlich fragen,
203So gebet kurz Bescheid darauf:
204Man lebet ruhig bey den Seinen
205Man seufzet nicht, man hört kein Weinen,
206Das Alter schließt mit Lust den Lauf;
207Hält aber bey dem Schlafenlegen,
208Was es dem Herzog wünscht, für seiner Kinder Segen.
209Ach Theureste! hier muß ich schweigen,
210Es läßt sich nur im Bilde zeigen,
211Was Dero Gnade wirken kann;
212Ich sehe gleich der Wünsche Schaaren
213Auf Fittigen des Windes fahren,
214Denn heute lebt kein Unterthan,
215Den man für Dero Wohlergehen
216Nicht auch den Säuglingen die Hände falten sehen.
217Drum komm auch ich, gerührte Leine!
218O Landes-Fürstin! ich erscheine
219Mit dem, was ich bisher verhehlt;
220Sie leben an des Herzogs Seiten,
221Bis es nach langen langen Zeiten
222Dem Urnen-Faß an Wasser fehlt;
223Und seynd beglückt in solchen Massen,
224Als Wasser-Tropfen jetzt die beyden Ufer fassen.
225Und lieber Herzog! Dero Tage
226Verzögern lange jene Klage,
227Die einst ein heilger Rath bestimmt;
228Sie glauben; daß, dieß zu erbitten,
229In meiner ungebauten Hütten
230Ein täglich Andachts-Opfer glimmt;
231Prinz! werde stark, und groß an Jahren,
232Und laß Dich bald zur Lust auf meinem Wasser fahren!
233Nun kehr ich an den Ort des Strandes,
234Zu jenen Gränzen dieses Landes,
235In meine Grotte, Grosse Frau!
236Wo ich mit nur gereiztem Triebe
237Die ungemeine Mutter-Liebe
238In Einsamkeit erst recht beschau;
239Und sehe Milch und Honig fliessen,
240Weil Gnadenströhme sich auf dieses Land ergiessen.