Theodor Körner: Männer und Buben (1814)

1Wer legt noch die Hände feig in den Schoos?
2Pfui über dich Buben hinter dem Ofen,
3Unter den Schranzen und unter den Zofen!
4Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht.
5Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,
6Ein deutsches Lied erfreut dich nicht,
7Und deutscher Wein erquickt dich nicht.
8Stoßt mit an,
9Mann für Mann,
10Wer den Flammberg schwingen kann!

11Wenn wir die Schauer der Regennacht
12Unter Sturmespfeifen wachend vollbracht,
13Kannst du freilich auf üppigen Pfühlen
14Wollüstig träumend die Glieder fühlen.
15Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht;
16Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,
17Ein deutsches Lied erfreut dich nicht,
18Und deutscher Wein erquickt dich nicht.
19Stoßt mit an,
20Mann für Mann,
21Wer den Flammberg schwingen kann!

22Wenn uns der Trompeten rauher Klang,
23Wie Donner Gottes zum Herzen drang,
24Magst du im Theater die Nase wetzen,
25Und dich an Trillern und Laufern ergötzen,
26Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht,
27Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,
28Ein deutsches Lied erfreut dich nicht,
29Und deutscher Wein erquickt dich nicht;
30Stoßt mit an,
31Mann für Mann,
32Wer den Flammberg schwingen kann!

33Wenn die Gluth des Tags versengend drückt,
34Und uns kaum ein Tropfen Wasser erquickt,
35Kannst du Champagner springen lassen,
36Kannst du bei brechenden Tafeln prassen.
37Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht,
38Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,
39Ein deutsches Lied erfreut dich nicht,
40Und deutscher Wein erquickt dich nicht.
41Stoßt mit an,
42Mann für Mann,
43Wer den Flammberg schwingen kann.

44Wenn wir vor'm Drange der würgenden Schlacht
45Zum Abschied an's ferne Treuliebchen gedacht,
46Magst du zu deinen Maitressen laufen,
47Und dir mit Golde die Lust erkaufen.
48Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht,
49Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,
50Ein deutsches Lied erfreut dich nicht,
51Und deutscher Wein erquickt dich nicht.
52Stoßt mit an,
53Mann für Mann,
54Wer den Flammberg schwingen kann!

55Wenn die Kugel pfeift, wenn die Lanze saußt,
56Wenn der Tod uns in tausend Gestalten umbraußt,
57Kannst du am Spieltisch dein Septleva brechen,
58Und mit der Spadille die Könige stechen.
59Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht,
60Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,
61Ein deutsches Lied erfreut dich nicht,
62Und deutscher Wein erquickt dich nicht.
63Stoßt mit an,
64Mann für Mann,
65Wer den Flammberg schwingen kann.

66Und schlägt unser Stündlein im Schlachtenroth,
67Willkommen du sel'ger Soldatentod!
68Du verkriechst dich in seidene Decken,
69Winselnd vor der Vernichtung Schrecken,
70Stirbst als ein ehrlos erbärmlicher Wicht,
71Ein deutsches Mädchen beweint dich nicht,
72Ein deutsches Lied besingt dich nicht,
73Und deutsche Becher klingen dir nicht.
74Stoßt mit an,
75Mann für Mann,
76Wer den Flammberg schwingen kann!

(Körner, Theodor: Leyer und Schwerdt. Berlin, 1814.Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Theodor Körner (1791-1813)

* 09/23/1791 in Dresden, † 08/26/1813 in Rosenow

männlich, geb. Körner

Tod in der Schlacht - im Einsatz getötet

deutscher Dichter und Freiheitskämpfer

(Aus: Wikidata.org)

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