1Und singen dich noch immer an, o Lenz,
2Doch da dein Zauber nun auch mich bezwungen,
3Meld ich mich auch zur großen Concurrenz.
4Doch fürcht ich fast, ich bin dir zu prosaisch,
5Aus meinen Versen sprüht kein Fünkchen Geist;
6Und denk ich gar an deinen Dichter Kleist,
7Klingt meine Sprache mir fast wie Havaïsch.
8Kein Veilchenduft versetzt mich in Extase
9Denn ach, ich bin ein Epigone nur;
10Nie trank ich Wein aus einem Wasserglase
11Und nüchtern bin ich bis zur Unnatur.
12Der Tonfall meiner lyrischen Collegen
13Ist mir ein unverstandner Dialect,
14Denn meinen Reim hat die Kultur beleckt
15Und meine Muse wallt auf andern Wegen.
16Ins Waldversteck verirrt sie sich nur selten,
17Die blaue Blume ist ihr längst verblüht;
18Doch zieht die Ahnung neugeborner Welten
19Ihr süßer als ein Märchen durchs Gemüth.
20Zur Armuth tritt sie hin und zählt die Groschen,
21Ihr rothes Banner pflanzt sie in den Streit,
22An ihr Herz schlägt das große Herz der Zeit
23Und aller Weltschmerz scheint ihr abgedroschen.
24Doch heute singt sie, was ihr längst verboten,
25Mir scheint, dein Lächeln hat sie mir behext,
26Und unter deine altbekannten Noten
27Schreibt sie begeistert einen neuen Text.
28Die Flur ergrünt und bläulich blüht der Flieder,
29Ich aber leire meine Lenzmusik
30Und lachend schon vernehm ich die Kritik:
31Das denkt und singt ja wie ein Seifensieder!