Conrad Ferdinand Meyer: Möwenflug (1882)

1Möwen sah um einen Felsen kreisen
2Ich in unermüdlich gleichen Gleisen,
3Auf gespannter Schwinge schweben bleibend,
4Eine schimmernd weiße Bahn beschreibend,
5Und zugleich in grünem Meeresspiegel
6Sah ich um die selben Felsenspitzen
7Eine helle Jagd gestreckter Flügel
8Unermüdlich durch die Tiefe blitzen.
9Und der Spiegel hatte solche Klarheit,
10Daß sich anders nicht die Flügel hoben
11Tief im Meer, als hoch in Lüften oben,
12Daß sich völlig glichen Trug und Wahrheit.

13Allgemach beschlich es mich wie Grauen,
14Schein und Wesen so verwandt zu schauen,
15Und ich fragte mich, am Strand verharrend,
16Ins gespenstische Geflatter starrend:
17Und du selber? Bist du ächt beflügelt?
18Oder nur gemalt und abgespiegelt?
19Gaukelst du im Kreis mit Fabeldingen?
20Oder hast du Blut in deinen Schwingen?

(Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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