Conrad Ferdinand Meyer: König Etzel's Schwert (1882)

1Der Kaiser spricht zu Ritter Hug:
2„du hast für mich dein Schwert verspellt,
3Des Eisens ist bei mir genug,
4Geh, wähl' dir eins, das dir gefällt!“

5Hug schreitet durch den Waffensaal,
6Wo stets der graue Schaffner sitzt.
7„der Kaiser giebt mir freie Wahl
8Aus Allem was da hangt und blitzt!“

9Er prüft und wägt. Von ihrem Ort
10Langt er die Schwerter mannigfalt —
11„sprich, wessen ist das große dort,
12Gewaltig, heidnisch, ungestalt?“

13„des Würgers Etzel!“ flüstert scheu
14Der Graue, der es hält in Hut.
15„des Hunnenkönigs! Meiner Treu,
16So lechzt und dürstet es nach Blut!“

17„laß ruhn. Es hat genug gewürgt!
18Die todte Wuth erwecke nicht!“
19„gieb her! Dem ist der Sieg verbürgt,
20Der mit dem Schwert des Hunnen ficht!“

21Und wieder sprengt er in den Kampf.
22„du hast dich lange nicht geletzt,
23Schwert Etzel's, an des Blutes Dampf!
24Drum freue dich und trinke jetzt!“

25Er schwingt es weit, er mäht und mäht
26Und Etzel's Schwert, es schwelgt und trinkt,
27Bis müd die Sonne niedergeht
28Und hinter rothe Wolken sinkt.

29Als längst er schon im Mondlicht braust,
30Wird ihm der Arm vom Schlagen matt.
31Er frägt das Schwert in seiner Faust:
32„schwert Etzel's, bist noch nicht du satt?

33Laß ab! Heut ist genug gethan!“
34Doch weh, es weiß von keiner Rast,
35Es hebt ein neues Morden an
36Und trifft und frißt was es erfaßt.

37„laß ab!“ Es zuckt in grauser Lust,
38Der Ritter stürzt mit seinem Pferd
39Und jubelnd sticht ihn durch die Brust
40Des Hunnen unersättlich Schwert.

(Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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