1Prinz Bertarit bewirthet Verona's Bettlerschaft
2Mit Weizenbrot und Kuchen und edlem Traubensaft.
3Gebeten ist ein Jeder, der sich mit Lumpen deckt,
4Der, heischend auf den Brücken der Etsch, die Rechte reckt.
5Auf edlen Marmorsesseln im Saale thronen sie,
6Durch Riss' und Löcher gucken Ellbogen, Zeh' und Knie.
7Nicht nach Geburt und Würden, sie sitzen grell gemischt,
8Jetzt werden noch die Hasen und Hühner aufgetischt.
9Der tastet nach dem Becher. Er durstet und ist blind.
10Den Krüppel ohne Arme bedient ein frommes Kind.
11Ein reizend stumpfes Näschen geckt unter strupp'gem Schopf,
12Mit wildem Mosesbarte prahlt ein Charakterkopf.
13Die Herzen sind gesättigt. Beginne, Musica!
14Ein Dudelsack, ein Hackbrett und Geig' und Harf' ist da —
15Der Prinz, noch schier ein Knabe, wie Gottes Engel schön,
16Erhebt den vollen Becher und singt durch das Getön:
17„mit frisch gepflückten Rosen bekrön' ich mir das Haupt,
18Des Reiches eh'rne Krone hat mir der Ohm geraubt.
19Er ließ mir Tag und Sonne! Mein übrig Gut ist klein!
20So will ich mit den Armen als Armer fröhlich sein!“
21Ein Bettler stürzt ins Zimmer. „Grumell, wo kommst du her?“
22Der Schreckensbleiche stammelt: „Ich lauscht' von ungefähr,
23Gebettet an der Hofburg — Dein Ohm schickt Mörder aus,
24Nimm meinen braunen Mantel!“ Erzschritt umdröhnt das Haus.
25„drück in die Stirn den Hut dir! Er schattet tief! Geschwind!
26Da hast du meinen Stecken! Entspring, geliebtes Kind!“
27Die Mörder nahen klirrend. Ein Bettler schleicht davon.
28— „Wer bist du? Zeig das Antlitz!“ Gehobne Dolche drohn.
29— „Laß ihn! Es ist Grumello! Ich kenn' das Loch im Hut!
30Ich kenn' den Riß im Aermel! Wir opfern edler Blut!“
31Sie spähen durch die Hallen und suchen Bertarit,
32Der unter dunkelm Mantel dem dunkeln Tod entflieht.
33Er fuhr in fremde Länder und ward darob zum Mann.
34Er kehrte heim gepanzert. Den Ohm erschlug er dann.
35Verona nahm er stürmend in rothem Feuerschein.
36Am Abend lud der König Verona's Bettler ein.