1Ich weiß mir ein Liedlein, hübsch und fein,
2Wohl von dem Wasser, wohl von dem Wein,
3Der Wein kanns Wasser nit leiden,
4Sie wollen wohl alleweg streiten.
5Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
6Man führt mich in alle die Länder hinein,
7Man führt mich vor's Wirth sein Keller,
8Und trinkt mich für Muskateller.
9Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
10Ich laufe in alle die Länder hinein,
11Ich laufe dem Müller ums Hauße,
12Und treibe das Rädlein mit Brauße.
13Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
14Man schenkt mich in Gläser und Becherlein,
15Und trinkt mich für süß und für sauer,
16Der Herr als gleich, wie der Bauer.
17Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
18Man trägt mich in die Küche hinein,
19Man braucht mich die ganze Wochen,
20Zum Waschen, zum Backen, zum Kochen.
21Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
22Man trägt mich in die Schlacht hinein,
23Zu Königen und auch Fürsten,
24Daß sie nicht mögen verdürsten.
25Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
26Man braucht mich in den Badstüblein,
27Darin manch schöne Jungfraue
28Sich badet kühl und auch laue.
29Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
30Bürgermeister und Rath insgemein
31Den Hut vor mir abnehmen,
32Im Rathskeller zu Bremen.
33Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
34Man gießt mich in die Flamm hinein,
35Mit Spritz und Eimer man rennet,
36Daß Schloß und Haus nicht verbrennet.
37Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
38Man schenkt mich den Doktoren ein,
39Wenns Lichtlein nit will leuchten,
40Gehn sie bei mir zur Beichte.
41Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
42Zu Nürnberg auf dem Kunstbrünnlein,
43Spring ich mit feinen Listen
44Den Meerweiblein aus den Brüsten.
45Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
46Ich spring aus Marmorbrünnelein,
47Wenn sie den Kaiser krönen,
48Zu Frankfurt wohl auf dem Römer.
49Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
50Es gehn die Schiffe groß und klein
51Sonn, Mond auf meiner Straßen,
52Die Erd thu ich umfassen.
53Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
54Man trägt mich in die Kirch hinein,
55Braucht mich zum heiligen Sakramente,
56Dem Menschen vor seinem Ende.
57Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
58Man trägt mich in die Kirch hinein,
59Braucht mich zur heiligen Taufen,
60Darf mich ums Geld nicht kaufen.
61Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
62Man pflanzt mich in die Gärten hinein,
63Da laß ich mich hacken und hauen,
64Von Männern und schönen Jungfrauen.
65Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
66Ich laufe dir über die Wurzel hinein,
67Wär ich nicht an dich geronnen,
68Du hättst nicht können kommen.
69Da sprach der Wein: Und du hast Recht,
70Du bist der Meister, ich bin der Knecht,
71Das Recht will ich dir lassen,
72Geh du nur deiner Straßen.
73Das Wasser sprach noch: Hättst du micht nicht erkannt,
74Du wärst sogleich an der Sonn verbrannt! —
75Sie wollten noch länger da streiten, —
76Da mischte der Gastwirth die beiden.