1Ein Andrer werb' um Ehr' und Gold!
2Ich werb’ um Wollust bei Selinden.
3Mich kan nur süsser Minnesold
4An algetreue Dienste binden.
5Das Glük läst manchen Ehrenman
6In seinem Dienst’ umsonst verderben.
7Allein bei trauter Minne kan
8Der Hirt auch sichern Sold erwerben.
9Ich bin kein grosser reicher Herr,
10Und sie ist keine hohe Dame.
11Dagegen klingt viel reizender
12Ein kurzer schäferlicher Name.
13Dagegen herzen wir uns frei,
14Sind sicher vor Verrätertücken,
15Auch schielet keine Spötterei,
16Wann wir uns Knie und Hände drücken.
17Der Prunk der hochstaffirten Kunst,
18Selbst die Natur im Feierkleide,
19Erbulen selten meine Gunst;
20Denn sie beschämt an Reizen beide.
21Das tausendstimmige Konzert
22Der Lerchen und der Nachtigallen
23Ist mir kaum halb so lieb und wehrt,
24Wann ihre Solotriller schallen.
25Im Denken ist sie Pallas ganz,
26Und Juno ganz am edlen Gange,
27Terpsikore beim Freudentanz’,
28Euterpe neidet sie im Sange;
29Ihr weicht Aglaja, wann sie lacht,
30Melpomene bei sanfter Klage,
31Die Wollust ist sie in der Nacht,
32Die holde Sitsamkeit bei Tage.
33Des Morgens, welch ein Malerbild!
34Wallt sie hervor in leichtem Kleide,
35Noch ungeschnürt, und halb verhült
36Nur in ein Mäntelchen von Seide.
37Entringelt auf die Schulter sinkt
38Die Hälfte goldner Locken nieder.
39Wie dann ihr rasches Auge blinkt,
40So blinkt das Licht aus Quellen wieder.
41Natur und Einfalt helfen ihr,
42An ihrem kleinen Morgentischgen.
43Des Busens und des Hauptes Zier
44Sind Ros’ und Myrt’ in einem Büschgen.
45Zu ihren Wangen wurde nie
46Ein Pinsel in Karmin getauchet;
47Und doch, wie Rosen, blühen sie,
48Von Frühlingsodem aufgehauchet.
49Wann sie an ihrem Tischgen sizt,
50So werd’ ich scherzend hingewinket:
51„kom, schmücke selbst dein Mädchen izt,
52Wie deiner Laun’ am besten dünket!„
53Und mich beflügelt ihr Gebot,
54Sie unvermutet zu umfangen.
55Dann schminkt mit hohem Morgenrot
56Mein Kus die jugendlichen Wangen.
57Ihr Haar im Nacken reizet mich
58Zu hundert kleinen Thorenspielen.
59Fast nimmer müde läst es sich
60In diesen seidnen Locken wülen.
61Sie äugelt nach dem Spiegel hin,
62Und lauschet meinen Neckereien.
63Sie schilt, daß ich ein Tändler bin,
64Und freut sich doch der Tändeleien.
65Drauf leg’ ich ihr die Schnürbrust an.
66Vor Wonne beben mir die Hände.
67Das Band zerreist, so oft es kan,
68Damit die Arbeit später ende.
69Wie flink bin ich nicht stets bereit,
70So liebe Dienste zu verrichten!
71Doch flinker noch, zur Abendzeit,
72Das Werk des Morgens zu zernichten.
73Nun schlinget meine kühne Hand —
74O Liebe, Liebe, welche Gnade! —
75Ein sanftgeflamtes Rosenband
76Ihr zierlich zwischen Knie und Wade.
77Wie mir das Blut zu Herzen stürzt!
78Nicht schöner wies sie Atalante,
79Da sie um’s Jawort, hochgeschürzt,
80Mit ihren Freiern wetterante.
81Nun schwebt die Grazie vor mir,
82Schlägt mit den Silberfüschen Triller,
83Und tanzet hin an das Klavier,
84Und singt ein Lied, nach Weiß, von Miller.
85Mit welcher Wollustfülle schwelt
86Mein Herz der Zauber ihrer Kehle!
87Hinweg, aus aller Gotteswelt,
88Gen Himmel singt sie meine Seele.
89Der Morgen eilt, man weis nicht wie?
90Zur Malzeit ruft die Küchenschelle.
91Ihr gegen über, Knie an Knie,
92Und Fus an Fus, ist meine Stelle.
93Hier treiben wir’s, wie froh und frei!
94Uns fesselt kein verwünschter Dritter.
95Die beste Fürstenschmauserei
96Ist gegen solch ein Schmäuschen hitter.
97Selinde schenkt mir Nektar ein.
98Erst aber mus sie selber nippen.
99Hierauf kredenzet sie den Wein,
100Mit ihren süssen Purpurlippen.
101Der Pfirsich, dessen zarten Flaum
102Ihr reiner Perlenzahn verwundet,
103Wie lüstern macht er Zung’ und Gaum!
104Wie süs mir dieser Pfirsich mundet!
105Nach Tische läst auf ihrer Brust
106Mein hingesunknes Haupt sich wiegen.
107Von Wein berauschet und von Lust,
108Wil schier die Sprache mir versiegen.
109Ein volles Herz giebt wenig Klang;
110Das leere klingt aus allen Tönen.
111Sie fühlet dennoch seinen Drang;
112Und ach! versteht sein stummes Sehnen.
113Jezt wird Selinden bang’ um’s Herz.
114Ein Mädchen ist ein banges Wesen.
115Sie reichet mir, aus losem Scherz,
116Verwirten Zwirn, ihn aufzulösen.
117Zwar findet sie mich ungeschikt,
118Doch sucht sie mich nur hinzuleiern.
119O List! Indem sie her sich bükt,
120Mus sich ihr Busen selbst entschleiern.
121Ein schlauer Blik wird hingesandt;
122Allein der Dieb läst sich betreten.
123Ein Streich von ihrer weichen Hand
124Rächt auf der Stell’ ihr Schaamerröten.
125Dann rükt sie weg und spricht nicht mehr;
126Bedekt ihr Auge; macht die Blinde;
127Lauscht aber durch die Finger her:
128Ob ich die Kränkung wol empfinde?
129Dann spiel’ ich einen Augenblik,
130Doch nur verstelt, den Tiefbetrübten;
131Und sie, o Wonne! springt zurük,
132Versönt sich mit dem Vielgeliebten,
133Umhalset ihn, weis nicht genug
134Mit süssen Namen ihn zu nennen,
135Und Mund und Wange, die sie schlug,
136Fühlt er von tausend Küssen brennen.
137Wol hundert Launen, kraus und hold,
138Umflattern täglich meine Traute.
139Bald singt und lacht, bald weint und schmolt,
140Bald klimpert sie auf ihrer Laute,
141Tanzt hin und wieder, blizgeschwind,
142Bringt bald ein Büchelchen, bald Karten,
143Bald streut sie alles in den Wind,
144Und eilt hinunter in den Garten.
145Ich hinterher, ereile sie
146In einer sichern stillen Grotte.
147Freund Amor treibt, sie weis nicht wie?
148Sie tief ins Dunkel. Dank dem Gotte!
149Sie bebt, von meinem Arm umstrikt.
150Mein Kus erstikt ihr leztes Lallen.
151Sie sinkt. Ich halte sie entzükt,
152Und — halt! — und lasse sie nicht fallen.