Theodor Fontane: Die Bienenschlacht (1851)

1Die Wespen und die Bienen
2Sie haben sich entzweit,
3Wie Guelphen und Ghibellinen
4Stehen sie im Streit,
5Parthei nimmt Hummel und Käfer,
6Und selbst der Blumen-Elf,
7Es flüstern die Lilienschläfer:
8„hie Waibling und hie Welf!“

9Die Bienen halten sich wacker,
10Doch ach, trotz Wall und Thurm,
11Den Schoten- und Bohnen-Acker
12Nahm der Feind im Sturm;
13Schon um die heimische Linde,
14Wie um Herd und Haus,
15Sammelt das Bienen-Gesinde
16Sich zum letzten Strauß.

17Eine (sie stund auf Wache,
18Und das Weinen war ihr nah)
19Schwur: „eine herrliche Sache
20Sei dies
21Daß ihr Stand so ein harter
22Freue sie nur zu sehn,
23Wie die dreihundert Sparter
24Würden sie untergehn.“

25Sprach da eine Zweite:
26„wohl, sie stimme dem bei,
27Daß zu fallen im Streite
28Ein Vergnügen sei;
29Nur sie wäre verwundert,
30Daß man auf Sparta säh’,
31Pforzheim und seine Vierhundert
32Hätte man ja in der Näh’“.

33Sprach es. Die Anderen alle,
34Immer gesinnungsvoll,
35Klatschten in diesem Falle
36Geradezu wie toll; —
37Siehe! da schwarz am Himmel,
38Wie Heuschreckenzug,
39Nahet das Wespengewimmel
40Sich im Siegesflug.

41Solche Schwärme und Flüge
42Nimmer der Garten sah,
43Wahre Hunnenzüge
44Sind es des Attila.
45Gierig nach Blut und Morden
46Stürmen sie heran,
47Wie die Mongolenhorden
48Unter Dschingiskhan.

49Bald in gebogenem Horne,
50Bald in gespitztem Keil,
51Aber immer nach vorne
52Stachel und Hintertheil:
53So, nach reifer Betrachtung,
54Stürmen sie herbei,
55Weil es der Verachtung
56Sprechendster Ausdruck sei.

57Auch die Bienen, in Demuth
58Werden sich deß bewußt,
59Schier unendliche Wehmuth
60Schleicht in ihre Brust,
61Stimmen statt Schlachtgesanges,
62Klagelieder an,
63Und vor allem ein banges:
64„zeige dich braver Mann!“

65Siehe, da schnell ein Sasse
66Tritt hervor aus den Reih’n:
67„mach’ Euch eine Gasse
68Liebe Genossen mein!“
69Und als ob es ihm wäre
70Nichtiger Zeitvertreib,
71Drückt er dreizehn Speere
72Tief sich in den Leib.

73Wüthend die Bienen klammern
74Da an den Feind sich an,
75Alle Wespen jammern:
76„rette sich wer kann!“
77Aber mit Waffen, schartig,
78Hummeln und andere mehr,
79Fallen jetzt landsturmartig
80Ueber die Flüchtigen her.

81Abend kommt; es schattet;
82Letzte Röthe schied;
83Siehe, da wird bestattet
84Bienen-Winkelried.
85Solch ein Gäste-Gedränge,
86Alle mußten’s gestehn,
87Und solch Leichengepränge
88Hatten sie nie gesehn.

89Rings auf Spitzen und Thürmchen
90An dem Hecken-Zaun,
91Glühten Johanniswürmchen
92Hell wie Fackeln traun;
93Taghell so beleuchtet,
94Kam der Zug daher,
95Jedes Auge gefeuchtet,
96Jedes Herze schwer.

97Vorne, drei Hummelbrummer
98Schritten ernst und barsch,
99Trommelten in Kummer
100Ihren Trauermarsch;
101Dann mit Ruhm zu melden
102Kam der wächserne Sarg,
103Der des Helden der Helden
104Irdische Hülle barg.

105Vier kohlschwarze Käfer,
106— Allen wohlbekannt —
107Waren, als Rappen, dem Schläfer
108Drinnen vorgespannt;
109Auf dem Deckel oben
110Lagen, Schaft an Schaft,
111Alle die dreizehn Proben
112Seiner Ritterkraft.

113Still des Zuges Spitze
114Hat jetzt eingelenkt:
115In eine Mauerritze
116Wird der Sarg gesenkt.
117Dann — wie Kriegsgesinde
118Rasch den Gram vertauscht —
119Haben im Duft der Linde
120Alle sich berauscht.

(Fontane, Theodor: Gedichte. Berlin, 1851.Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Author

Theodor Fontane (1819-1898)

* 12/30/1819 in Neuruppin, † 09/20/1898 in Berlin

männlich, geb. Fontane

deutscher Schriftsteller

(Aus: Wikidata.org)

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