Christian Hofmann von Hofmannswaldau: Der Sterbende Socrates (1679)

1Als nun der Tag zum letzten selbst war kommen/
2Daß dieser Schatz uns solte seyn benommen/
3Und durch den Spruch/ den das Verhängnis macht/
4Dem Cerberus sein Bissen war gebracht/
5Den nicht vielmehr der schöne Geist beweget/
6Als etwan der so Thorheits Flecken träget/
7So nahmen wir auch die Gelegenheit:
8Erbaut zu seyn durch seine Freundligkeit.
9Den Heldenmuth nam keine Furcht gefangen/
10Wie nah ihm auch das Ende kam gegangen.
11Er ward auch nicht durch Todes-Angst gerührt/
12So uns gar leicht Witz und Verstand entführt/
13Wer ist doch sonst/ wann er den Tag erblicket/
14Durch den der Leib wird aus der Welt gerücket/
15Er sey denn gantz ein Engel oder Stein/
16Daß er nicht solt in Angst und Schrecken seyn?
17Drum hat gewiß der Engel reines Wesen
18Den Socrates erzeuget und erlesen;
19Denn unser Sinn ist warlich allzuschlecht/
20Und hört mit Angst des Todes strenges Recht/
21Jhm aber war es leicht alhier zu weisen/
22Ein Hertz aus Stein/ und einen Mund von Eisen/
23Es zeiget uns Gesichte/ Hand und Mund/
24Wie Geist und Sinn recht im Gewichte stund/
25Und daß man ihn weit höher muste plagen
26Der Thränen Bach den Wangen abzujagen;
27Die Seufzer selbst so allzuleicht entgehn/
28Die musten ihm stets zu gebote stehn/
29Sein treues Weib lag auch zu seinen Füssen
30Verblast/ bestürtzt/ erbärmlich abgerissen/
31Sie konte nicht der Ubermaß der Pein
32Durch ihr Geschrey wie sonst erleichtert seyn/
33Sie hielt den Sohn des Socrates in Armen/
34Und predigt’ ihm vom schläfrigen Erbarmen/
35Als welcher nicht vor dieser letzten Fahrt
36Ein Seuffzerlein zu dem Gedächtniß ward.
37Mein werther Mann begunte sie zu sagen
38Ach würden wir zugleiche hingetragen/
39Ach weh! wann dir die allzulange Ruh/
40Das reine Licht der Augen drücket zu/
41So wirst du denn bey des Cocytus Flüssen/
42Gar schlechten Schein der Liebligkeit geniessen;
43Und wären wir gleich allesambt um dich/
44So kentest du die Freunde gleich wie mich.

(Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679)

* 01/01/1616 in Breslau, † 04/18/1679 in Breslau

männlich

deutsch-schlesischer Lyriker und Epigrammatiker, Politiker und Diplomat

(Aus: Wikidata.org)

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