Kaspar von Stieler: Vi. Uber der Liebsten Tod (1660)

1Ofnet euch/ ihr Augen-güsse/
2trähnet Blut-gefärbte Flüsse/
3klagt/ beweinet/ was ich misse!
4Meine Freud’ ach! ist verblichen.
5Helfft/ ihr Götter meiner Noht!
6Schönheit/ Tugend/ Zucht ist tod
7und nach Leten hingewichen.

8Rauffet euch/ Jhr Nymfen-schaaren/
9ungemenschet in den Haaren/
10heulet bey der Leichen-Bahren/
11hüllet euer Angesichte
12Meine Göttin ist zu nichte.

13Amor/ lesche deine Flammen/
14tritt mit Zyprien zusammen
15alle Wollust zu verdammen/
16weil das Bild der Treffligkeiten
17deiner Fakkel wehrter Zwekk
18nu ist auß dem Leben weg
19und mit ihr der Trost der Zeiten.

20Pflükkt/ ihr Musen/ um Permessen
21Amaranten und Zypressen/
22die Melposens Zähren nässen/
23wimmert um Asopus Wellen
24einen kläglichen Gesang/
25daß der raue Jammer-klang
26mög’ an Teben wieder gellen.

27Brecht/ ihr Wolken/ donnert/ schüzzet/
28weil mein Nord-stern ist verblizzet.
29Du vergöldtes Radt der Sonnen/
30dunkle deiner Reise Bahn/
31ziehe schwarze Kleider an/
32Lune/ weil mein Licht verbronnen.

33Pfeifft erbärmlich/ Lufft und Winde/
34Echo ächz es in die Gründe/
35wo ich mich verzweifelt finde
36diese Faust ist schon gerüstet
37mir zutuhn den lezten Stoß.
38Meine Marter ist zu groß/
39daß mich nicht zuleben lüstet.

40Hohlt mich ab/ ihr junge Hirten/
41beyde soll ein Grab bewirten.
42Leget uns in grüne Myrten.
43die das Leben nie geschieden/
44trennet auch die lezte Pflicht
45und der Riß der Parzen nicht/
46der sonst alles kan zerglieden.

47Brechet auß den Marmor-steinen
48von den allerreinsten einen/
49drauff soll diese Schrifft erscheinen
50Die im Leben treu verharret
51Ach
52Amor selber eingescharret.

(Filidor der Dorfferer [i. e. Stieler, Kaspar von]: Die Geharnschte Venus. Hamburg, 1660.Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Kaspar von Stieler (1632-1707)

* 08/02/1632 in Erfurt, † 06/24/1707 in Jena

männlich, geb. Stieler

deutscher Gelehrter und Sprachwissenschaftler

(Aus: Wikidata.org)

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