1 ... und Psyche, meine Seele, sah mich an
2Von unterdrücktem Weinen blaß und bebend
3Und sagte leise: »Herr, ich möchte sterben,
4Ich bin zum Sterben müde und mich friert.«
5O Psyche, Psyche, meine kleine Seele,
6Sei still, ich will dir einen Trank bereiten,
7Der warmes Leben strömt durch alle Glieder.
8Mit gutem warmem Wein will ich dich tränken,
9Mit glühendem sprühendem Saft des lebendigen
10Funkelnden, dunkelnden, rauschend unbändigen,
11Quellenden, schwellenden, lachenden Lebens,
12Mit Farben und Garben des trunkenen Bebens:
13Mit sehnender Seele von weinenden Liedern,
14Mit Ballspiel und Grazie von tanzenden Gliedern,
15Mit jauchzender Schönheit von sonnigem Wehen
16Hellrollender Stürme auf schwarzgrünen Seen,
17Mit Gärten, wo Rosen und Efeu verwildern,
18Mit blassen Frauen und leuchtenden Bildern,
19Mit fremden Ländern, mit violetten
20Gelbleuchtenden Wolken und Rosenbetten,
21Mit heißen Rubinen, grüngoldenen Ringen
22Und allen prunkenden duftenden Dingen.
23Und Psyche, meine Seele, sah mich an
24Und sagte traurig: »Alle diese Dinge
25Sind schal und trüb und tot. Das Leben hat
26Nicht Glanz und Duft. Ich bin es müde, Herr.«
27Ich sagte: Noch weiß ich wohl eine Welt,
28Wenn dir die lebendige nicht gefällt.
29Mit wunderbar nie vernommenen Worten
30Reiß ich dir auf der Träume Pforten:
31Mit goldenglühenden, süßen lauen
32Wie duftendes Tanzen von lachenden Frauen,
33Mit monddurchsickerten nächtig webenden
34Wie fiebernde Blumenkelche bebenden,
35Mit grünen, rieselnden, kühlen, feuchten
36Wie rieselndes grünes Meeresleuchten,
37Mit trunken tanzenden, dunklen, schwülen
38Wie dunkelglühender Geigen Wühlen,
39Mit wilden, wehenden, irren und wirren
40Wie großer nächtiger Vögel Schwirren,
41Mit schnellen und gellenden, heißen und grellen
42Wie metallener Flüsse grellblinkende Wellen ...
43Mit vielerlei solchen verzauberten Worten
44Werf ich dir auf der Träume Pforten:
45Den goldenen Garten mit duftenden Auen
46Im Abendrot schwimmend, mit lachenden Frauen,
47Das rauschende violette Dunkel
48Mit weißleuchtenden Bäumen und Sterngefunkel,
49Den flüsternden, braunen, vergessenen Teich
50Mit kreisenden Schwänen und Nebel bleich,
51Die Gondeln im Dunklen mit seltsamen Lichtern,
52Schwülduftenden Blumen und blassen Gesichtern,
53Die Heimat der Winde, die nachts wild wehen,
54Mit riesigen Schatten auf traurigen Seen,
55Und das Land von Metall, das in schweigender Glut
56Unter eisernem grauem Himmel ruht.
57– – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
58Da sah mich Psyche, meine Seele, an
59Mit bösem Blick und hartem Mund und sprach:
60»dann muß ich sterben, wenn du so nichts weißt
61Von allen Dingen, die das Leben will.«