1Nun liegt und zuckt am fahlen Himmelsrand
2In sich zusammengesunken das Gewitter.
3Nun denkt der Kranke: »Tag! jetzt werd ich schlafen!«
4Und drückt die heißen Lider zu. Nun streckt
5Die junge Kuh im Stall die starken Nüstern
6Nach kühlem Frühduft. Nun im stummen Wald
7Hebt der Landstreicher ungewaschen sich
8Aus weichem Bett vorjährigen Laubes auf
9Und wirft mit frecher Hand den nächsten Stein
10Nach einer Taube, die schlaftrunken fliegt,
11Und graust sich selber, wie der Stein so dumpf
12Und schwer zur Erde fällt. Nun rennt das Wasser,
13Als wollte es der Nacht, der fortgeschlichnen, nach
14Ins Dunkel stürzen, unteilnehmend, wild
15Und kalten Hauches hin, indessen droben
16Der Heiland und die Mutter leise, leise
17Sich unterreden auf dem Brücklein: leise,
18Und doch ist ihre kleine Rede ewig
19Und unzerstörbar wie die Sterne droben.
20Er trägt sein Kreuz und sagt nur: »Meine Mutter!«
21Und sieht sie an, und: »Ach, mein lieber Sohn!«
22Sagt sie. – Nun hat der Himmel mit der Erde
23Ein stumm beklemmend Zwiegespräch. Dann geht
24Ein Schauer durch den schweren, alten Leib:
25Sie rüstet sich, den neuen Tag zu leben.
26Nun steigt das geisterhafte Frühlicht. Nun
27Schleicht einer ohne Schuh von einem Frauenbett,
28Läuft wie ein Schatten, klettert wie ein Dieb
29Durchs Fenster in sein eigenes Zimmer, sieht
30Sich im Wandspiegel und hat plötzlich Angst
31Vor diesem blassen, übernächtigen Fremden,
32Als hätte dieser selbe heute nacht
33Den guten Knaben, der er war, ermordet
34Und käme jetzt, die Hände sich zu waschen
35Im Krüglein seines Opfers wie zum Hohn,
36Und darum sei der Himmel so beklommen
37Und alles in der Luft so sonderbar.
38Nun geht die Stalltür. Und nun ist auch Tag.