Adolf Friedrich von Schack: Himilkon (1854)

1Wehruf tönt durch Karthago hin,
2Von Trauer voll sind Markt und Hallen;
3Des Meeres stolze Königin
4Hat tiefes Mißgeschick befallen;
5Die Flotte, groß, wie keine je
6Die Anker noch zuvor gelichtet,
7Das Heer, erprobt zu Land und See,
8Ward ihr mit

9Und er, der kühn und stolz und jung
10Durch des Tyrrhenermeeres Wogen,
11Gleichwie zur Welteroberung,
12Als Feldherr mit dem Heer gezogen,
13Steht nun verklagt im Tempel Baals;
14Vor ihm auf schwarzbehängten Stufen
15Die Aeltesten des Tribunals,
16Das vor die Schranken ihn gerufen.

17So zu den finstern Greisen spricht
18Himilkon da mit fester Stimme:
19»kühn seh' ich euch ins Angesicht
20Und bebe nicht vor eurem Grimme.
21Was nur vermag des Menschen Macht,
22Hab' ich vollführt mit meinem Heere,
23Und Größres viel hätt' ich vollbracht,
24Wenn nicht der Neid der Götter wäre.

25Siziliens Volk, noch schreckenblaß,
26Mag Zeugnis geben meiner Thaten;
27Zu Trümmern sank am Akragas
28Die Riesenstadt, als wir uns nahten;
29Kein Haus, das nicht zusammenbrach,
30Kein Tempel, den wir nicht verbrannten;
31Staub ward des Donnrers hehres Dach,
32Und die es trugen, die Giganten.

33Vom Rauche der Zerstörung qualmt
34Auf ödem Hügel noch Segeste,
35Die Steine selbst hab' ich zermalmt
36Von Gelas einst berühmter Feste,
37Hinabgeschaufelt in das Meer
38Den Berg, der Himera getragen;
39Kaum weiß der Hirt am Ufer mehr,
40Wo es gestanden hat, zu sagen.

41Wie Wettersturm aus Afrika,
42Der wolkenschwer die Welt umnachtet,
43Zog weiter meine Flotte da,
44Mit Wirbelwind des Kriegs befrachtet;
45Die Völker harrten stumm und bang,
46Auf wen sie sich entladen werde –
47Doch jäh traf
48Und neu aufatmete die Erde.

49Denn grausig aus dem Abgrund stieg
50Die Pest empor, uns zu verderben;
51Mann sah an Mann ich welk und siech
52Vom Giftqualm ihres Odems sterben;
53Wer nicht gefallen morgens schon,
54Am Abend mußte der erbleichen;
55Mich aber ließ sie, wie zum Hohn,
56Am Leben unter all den Leichen.

57So rief die düstre Macht mir Halt,
58Mit der umsonst die Menschen ringen!
59Hätt' ich's vermocht, die Allgewalt
60Der Welttyrannen zu bezwingen,
61Zu Füßen läg' euch alles Land
62Von Thule bis nach Taprobane,
63Ja selbst an der Atlantis Strand
64Hätt' ich gepflanzt Karthagos Fahne.

65Sie aber klag' ich an, ja sie,
66Die großes nicht den Menschen gönnen,
67Die Götter, deren Neid uns nie
68Erlaubt, zu zeigen, was wir können;
69Und nochmals und zum drittenmal
70Klag' ich sie an der feigen Tücke!

71Und wähnt mich nicht verwirrt an Geist,
72Weil ihnen ich zu trotzen wage!
73Selbst geh' ich nun und schleudre dreist
74Ins Antlitz ihnen meine Klage.«
75Rief's und durchbohrte sich das Herz;
76Die Richter sahn entsetzt den Toten,
77Wie noch gebrochen himmelwärts
78Den Göttern seine Blicke drohten.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Adolf Friedrich von Schack (1815-1894)

* 08/02/1815 in Schwerin, † 04/14/1894 in Rom

männlich, geb. Schack

deutscher Dichter, Kunst- und Literaturhistoriker

(Aus: Wikidata.org)

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