Ernst Stadler: Prometheus (2.) (1898)

1Und in der Nacht, da er am Felsen hing,
2Unter Adlerfängen sein Leib sich bäumte,
3Blutigen Schaum die Flut aufleckend ihm ins Antlitz spie,
4Trat vor ihn aus den Schatten der Versucher.
5Und rauher peitschte, höhnender das Meer
6Um seine Lenden. Geller fuhr
7Sein Brüllen in der Elemente Sturm.
8Wild durch sein Blut sprang des Versuchers Lied.
9Sirenenlocken warf in süßem Rausch
10Wie Blütennektar weich sich über ihn.
11Dann wieder
12War's wie ein Tanz,
13Der über Welten raste, da aus Wolken noch
14Götter sich neigten, wilde Lippen
15Auf weichen Wangen glühten,
16Und durch den Glanz der schwülen Sommernacht
17Des Blutes ehern Lied aus schrillen Saiten scholl.
18Sein Atem keuchte,
19Seine Adern schwollen –
20»nicht weiter, Zeus! ... Ich will – –«
21Da stieg die Sonne leuchtend übers Meer.
22Ein Flimmern, Rauschen. Kreischend flieht
23Der Adler. Geduckt, in wilder Gier
24Lauert der Fremde
25Auf jenes Wort, das Sonnen schmettern soll
26Aus ihren Bahnen und die Welt in Nacht.

27In stummem Träumen stand Prometheus.
28Nur tiefer hob und senkte sich die Brust
29Und trank in heißen Zügen Morgenlicht.
30Um seine Lippen floß ein roter Quell
31Von Morgensonne – Siegerseligkeit.
32Kein Wort ...
33Auf roten Wogen fließt der junge Tag.
34Aus Lüften bricht's wie Dank aus tausend Kehlen.
35Vom Meere leuchtend steigt die Sonne auf.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Ernst Stadler (1883-1914)

* 08/11/1883 in Colmar, † 10/30/1914 in Ypern

männlich, geb. Stadler

elsässischer Lyriker

(Aus: Wikidata.org)

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