Heinrich Mühlpfort: Auf Hn. S. C. v. W. und Jfr. A. M. L. Hochzeit. 1658. (1686)

1Die angenehme Zeit der süssen Frülings-Lust
2Bricht nun gewünscht hervor/ der Winter ist ver gangen/
3Und itzo kommt der May mit seinen Rosen-Wangen/
4Indem die Chloris schmückt die blumbesternte Brust.
5Was diese gantze Welt in ihren Schrancken schleust/
6Erquickt der Wollust Thau/ der alles übergeust.
7Der Sonnen güldnes Licht gläntz prächtiger herfür/
8Umbkrönt mit neuem Schein und ewig schönen Flammen/
9Es rufft die Cynthia der Sternen Heer zusammen/
10Und mahlt ihr Silber-Horn mit Perlen klarer Zier.
11Deß Himmels Hyacinth ist heller als Crystall/
12Die lebhafft-kühle Lufft spielt mit gelindem Schall.
13Der schöne Zwillings-Stern verwechselt Kuß umb Kuß/
14Und das verbuhlte Volck der freyerischen Westen/
15Mischt seinen Anmuhts-Hauch mit den begrünten Aesten/
16Daß Zweig bey Zweige steht/ und schöner blühen muß.
17Die Bäume kleiden sich in weissen Atlaß an/
18Trotz Lilgen/ trotz Narciß’ und schönsten Tulipan.
19Deß Himmels keusche Braut/ die Erd’ ist schwanger grün/
20Und hat sich zur Geburt nun allbereit geschicket/
21Es steht ihr Königreich viel herrlicher geschmücket/
22Als diese/ die nur Gold und lichte Stein umbziehn.
23Was die Natur erbaut/ das pocht der Künstler Fleiß/
24Die reine Liebligkeit erwirbt den grösten Preiß.
25Der Bäche Lißpelthon durch fleust den scharffen Sand/
26Das stamrende Geräusch der Sausel schlancken Wellen
27Kan Seele/ Hertz und Sinn/ mit seiner Lust erhellen/
28Wenn uns ein süsser Schlaff streckt an den grünen Rand/
29Der Vogel Sängerey wiegt Ohr’ und Angen ein
30Und fällt bald hoch/ bald tieff/ bald süß und wunder-rein.
31Was lebt/ fühlt neue Lust in dieser Frühlings-Zeit/
32Diesüsse regungs-Glut bespringet alle Glieder/
33Der Zunder heisser Brunst erweiset hin und wieder/
34Daß sich die kleine Welt/ der kluge Mensch erfreut.
35Sein Geister-volles-Blut wird hefftiger erhitzt/
36Und zeuget daß ein Feur in seiner Leber sitzt.
37Ein unverweßlich Feur das ware Gunst ansteckt/
38Und das ein keuscher Brand mit reinen Flammen zieret/
39Das offt in höchster Angst den besten Trost gebühret/
40Und in der letzten Noht gewisse Hülff erweckt.
41Die Funcken bläst kein Wind der frechen Geilheit auff/
42Sie steigen Himmel ab und nehmen ihren Lauff.
43Es ist nicht nur genung ein freundliches Gesicht’/
44Aus welchem Venus lacht/ und der Cupido spielet/
45Wenn ein verliebter Blick das tolle reitzen fühlet/
46Und wenn der Liebes-Dorn das Lüsten-Hertz durchsticht.
47Ob schon der Augenklar in tieffer Wollust schwimmt/
48Und das entdeckte Feur auff beyden Wangen glimmt.
49Viel kräncken sich also und werden selbst gekränckt/
50Mit seufftzender Begier/ und hoffendem Verlangen/
51Eh sie den schnöden Lohn bethörter Brunst empfangen/
52Der doch mit lauter Weh und herber Angst verschränckt.
53Die Schönheit zagt und schmacht/ biß daß der Glantz vergeht.
54Und ein geschminckter Schein statt wahrer Farbe steht.
55Den fleucht wer vorgeliebt/ und läst die Dornen seyn/
56Wenn schon die Rosen weg/ ja was er vor geehret/
57Wird nicht so hoch geschätzt/ daß er den Namen höret/
58Und die geliebte trifft die hochbetrübte Pein/
59Jtzt stirbet der vor sie/ itzt hat sie der geküst/
60Jtzt betet der sie an/ der morgen nur nicht grüst.
61O unbesonner Wahn! der edlen Keuschheit Bluhm’
62Erkennet keine Lust/ die Uppigkeit beflecket/
63Jhr Himmel-heller Glantz wird nicht durch Nacht bedecket/
64Es blüht den Cedern gleich ihr unverwelckter Ruhm.
65Und kommt die Liebe schon zu ihrem Zimmer ein/
66So muß sie reiner noch als Schnee und Lilgen seyn.
67Denn kan sie nicht vergehn/ ob schon die Erd erkracht/
68Und durch die schwartze Lufft entbrandte Strahlen dringen/
69Die treue Liebe kan kein Blitz noch Donner zwingen/
70Sie bricht durch Weh und Noth/ ja durch des Grabes Nacht.
71Sie zwang des Orpheus-Geist durch Grufft und Hell zu gehn/
72Damit ihm sein Gemahl könnt’ an der Seiten stehn.
73Die veste Liebe bleibt/ wenn schon die stoltze See/
74Den grunderboßten Schaum biß an die Sternen schmeisset/
75Und Segel/ Mast und Schiff ins Saltzes-Zäuff’ einreisset.
76Sie dringt durch Sturm und Wind/ durch Abgrund und durch
77Es muß Leanders Leib der Wellen Opffer seyn/
78(höh'/
79Und Hero macht den Tod/ mit ihrem Tod gemein.
80Die Liebe die erhält/ was auff der Erden lebt/
81Was durch das blaue Feld der kühlen Lüffte streichet/
82Was in dem grünen Saltz der feuchten Thetis schleichet/
83Und was die Vesta mehr aus ihrem Schooß erhebt.
84Daß Flora Blumen zeugt/ daß alles lieblich sicht
85Diß macht die Lieb’ allein aus welcher alles blüht.
86Die Liebe ziert den Geist/ und mustert den Verstand/
87Sie kan zu allem Thun uns viel geschickter machen/
88Die Liebe/ wenn sie wil/ verrichtet Wundersachen/
89Sie schärfft den blöden Sinn/ und stärckt die schwache Hand.
90Sie giebt den Thoren Witz/ den Weisen Wissenschafft/
91Den hochbetrübten Trost/ den Krancken neue Krafft.
92Gleich wie der Himmels-Thau bey Licht-bestirnter Nacht/
93Die matten Felder tränckt/ und seine Silberflüsse
94Bald auf der Rosenkelch/ bald auf der Lilgen Füsse
95In höchster Anmuth geust/ und ihrer Blätter Pracht
96Mit frischem Naß beperlt/ so flöst uns auch den Wein
97Der süssen Zuckerung die Liebe selbsten ein.
98Das wundernd’ Aug’ erstarrt/ wenn so ein Jungfern Bild/
99Und liebliche Syren mit ihren Blitzen strahlet/
100Wann die entfärbte Scham der Wangen purpur mahlet/
101Und den geschickten Leib mit Liebligkeiten fullt.
102Der Reder Gang/ und Thun/ zeugt mehr als gnugsam an/
103Daß niemand ohne Lust die Schönheit schauen kan.
104(band/
105Er/ werther Bräutigam/ dem mich der Freundschafft-
106Und das Geschlecht verknüpfft/ kan jetzo frölich schauen
107Ein solches Tugend-Bild/ und seine Liebe bauen/
108Auf ein befestes Schloß/ das nicht wird umgewand.
109Cupido kröhnt ihn schon mit grünem Myrthen-Haar/
110Und stellt die liebe Braut mit höchster Schönheit dar.
111So kommt der Tugendlohn von Gott ihm reichlich ein/
112Und sein bemühter Fleiß verdienet solch Gelücke/
113Das sich zu seinem Nutz und Nahrung ewig schicke/
114Weil Phöbus Fackel leucht mit Göldgemengtem Schein.
115Er lebe höchst vergnügt/ deß Himmels milde Gunst
116Entzünd’ in beyder Hertz die Seelen keusche Brunst.
117Doch seht die schwartze Nacht zünd ihre Lichter an
118Und Hymes Lustgeschrey erklingt in allen Ohren/
119Die Venus hat der Braut was heimliches geschworen
120Daß sie auß Ungedult nicht länger warten kan.
121Geht hin/ Verliebte geht/ geniest der süssen Lust
122Und drücket Mund an Mund/ und leget Brust an Brust.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Heinrich Mühlpfort (1639-1681)

* 07/10/1639 in Breslau, † 07/01/1681 in Breslau

männlich, geb. Mühlpfort

deutscher und lateinischer Dichter des Barock

(Aus: Wikidata.org)

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