1Des Schöpfers weiser Zwek, da er
die Welt gemacht,
2War aller Menschen Glük; dar-
3Weil seine ewge Güt, dies
4Daß man darinnen noch viel
5Die Vorsicht gab die Welt ihm zum Besizze ein,
6Daß er und sein Geschlecht, bey seinen Gnaden-
7In unverrükter Lust, das stets geniessen solte,
8Was er als Oberherrr nach seiner Weisheit wolte.
9Er drükte in sein Herz sein göttlich Ebenbild,
10Da ward der Menschen Geist mit Licht und Glanz
11Er flößte in sein Herz, des Himmels reine Triebe,
12Worauf das Glük beruht,
13Die Liebe ist ein Band, das
14Ein Feur das wärmt und nährt, und wo dasselbe
15Da strahlt mit heitren Blik in einer güldnen Won-
16Den Menschen immer an, des Himmels Gnaden-
17Allein seid dem der Gift, der Schlangen uns be-
18Der Satan in uns hat die Sünde angestekt;
19Da ist der arme Mensch aus seinen Glüksstand
20Da hat der bittre Has, das Herze eingenommen.
21Gott ist das höchste Gut, das durch die Lieb allein,
22Sich uns zu eigen schenkt zu unserm glüklich seyn:
23Wer durch den Has verführt, durch scheelen Neid
24Der wird von dieser Quell in Jrthum abgewendet;
25Der sucht was ihm vergnügt, und trift es doch
26Weil man in Pfüzzen nicht, sein Labsal finden kan,
27Das in den Quellen fliest. Der Erden eitle Güter,
28Sind wenn man sie recht schmekt, nicht süsse, son-
29Sie sind ein Wermuth-Salz, mit Zukker untermischt,
30Ein bittres Aloe mit Candis überwischt,
31Damit labt sich der Mensch; und wird doch nur ge-
32Weil ihm die wahre Lieb zum höchsten Gute fehlet.
33Wer seinen Schöpfer haßt, das wahre Freuden-
34Von falschen Wahn betäubt, der liebt sich selber
35Und wenn er Ruhe sucht, wird er in dem Gewissen,
36Von Furcht und Angst gejagt, von Furien gebissen.
37Die Furcht folgt Sündern nach, scheucht stets den
38Der zwischen
39Ach! möchte jederman der Liebe Vortheil kennen;
40So würde keiner leicht derselben Band zertrennen:
41Da
42Da ist Zufriedenheit auch in der größten Noth;
43Wo wahre Liebe fehlt, kan man auf sanften Küs-
44Beim Schlaf der Sicherheit auch keine Ruh ge-
45Alsdenn lebt man vergnügt, wenn uns der Schöpfer
46Es foltert uns die Angst, wenn er uns zornig
47O! Menschen trachtet doch das höchste Gut zu lie-
48So kan euch keine Noth und keine Angst betrüben.
49Die Ruhe des Gemüths, die Seel und Leib erhält,
50Ist warlich unschäzbar, das Beste in der Welt;
51Wer dieses Kleinod sucht, wird es nicht ehr erlan-
52Er hab erst
53Des Höchsten Absicht ist, daß man des andern
54Aus Lieb und Lust gerührt, allhie befördern sol;
55Drum hat er in das Herz die Liebe ausgegossen,
56Das aber leider jezt in Gift und Haß zerflossen.
57Es wolte daß der Mensch dem andern hold und treu,
58In reiner Lust geneigt, des andern Engel sey:
59Allein der Haß regiert, zeugt Feindschaft, Rotten,
60Und dadurch ist der Mensch, des andern Teufel
61Die Liebe ist der Grund, ohn welcher nichts be-
62Weil durch den Has und Neid, der Staat zu trüm-
63Den
64Es wären in der Welt der Fürsten güldne Thronen,
65Mit Schwerdtern nicht besezt; mit Lanzen nicht
66Wenn keine Feindschaft da, die zu derselben dringt.
67Die Welt wär ohne Furcht, von Sorgen weit ent-
68Wenn jeder Mensch als Mensch zu lieben nur ge-
69Die Städte sind bewacht, von starken Mauren fest,
70Warum? weil uns die Furcht nichts Gutes hoffen
71Weil das Gesellschaftsband durch Haß und Neid
72So hat man Vestung, Wall und Mauren bauen
73So muß ein jedes Haus mit Riegeln seyn versehn,
74Und durch die feste Thür der Bosheit wiederstehn
75Wo wahre Liebe wohnt und Treue auf den Gassen,
76Die sich mit Lieblichkeit in Freundschaftskuß um-
77Da wär noch in der Welt, das schöne Paradies:
78Der Ort wo Bitterkeit gewürzt von Liebe süß:
79Allein wir suchen noch in diesen Eitelkeiten
80Die Insel sichrer Ruh und der Zufriedenheiten;
81Denn diese ganze Welt, der Nord und Süder Pol,
82Der viele Länder hegt, ist stets von Feindschaft voll:
83Wo die im Herzen kocht, von Galle überfliesset,
84Da ist der Wohnplaz nicht, da man die Ruh ge-
85Wenn jederman bedacht, wie er in Lieb allein
86Den andern nüzlich wär; so würde Sonn und
87Des dauerhaften Glüks die trüben Wolken min-
88Die uns an wahrer Ruh der Seel, des Leibes hin-
89Wo wahre Liebe wohnt; da ist kein Zank und Streit;
90Wo dieses Feuer brennt, da paust kein falscher Neid,
91Da suchet man auch nicht den Nächsten zu verläum-
92Und ihn in Ruh und Glük, aus Misgunst anzu-
93Die Liebe freuet sich bey eines andern Wohl,
94Wenns einem übel geht, da ist sie Traurens voll.
95Sie trägt des andern Last; bedekt des andern Feh-
96Sezt dem der es verdient, des Lobes Ehren Mähler.
97Die Liebe treibt uns an zur Uebung der Gedult,
98Versagt nie, wo sie kan, dem andern ihre Huld:
99Sie schliest die Dürftigkeit in ausgespannte Armen,
100Und hilft das Elend auf, mit thränenden Erbar-
101Sie lindert Schmerz und Noth, die einen andern
102Und stärkt den der nach Trost in heisser Sehnsucht
103Sie dienet wo sie kan, und daß ist ihr Vergnügen,
104Wenn sie den andern kan ohn Eigennuz besiegen.
105Sie brennt in stetem Trieb, und fühlet in der Brust,
106Wenn sie dem andern nüzt, drob eine süsse Lust.
107O! Tugend möchtest du doch da anjezo thronen,
108Wo deine Schüler seyn, das heist wo Christen
109Wie glüklich würde denn, wie ruhig unsre Welt,
110Die da du bist entfernt, ein elend Krieger-Zelt.
111Jhr Christen denket nach! wer will ein Christe
112Der muß vor allen sich der Liebe recht befleissen;
113Wo keine Liebe ist, da fehlt der Glaube auch,
114Da ist stat Licht und Schein, nur Schatten, Ne-
115Ein wahrer Christe seyn, und keine Liebe kennen,
116Das heisset eine Glut, die ohne Glanz und Bren-