Heinrich Mühlpfort: Trost-Schreiben An Hn. M. F. J. P. über dem Absterben seiner Ehellebsten M. M. g. R. den 30. Novemb. 1671. (1686)

1Ach hoch betrübter Freund was soll ich dir doch schreibē
2Jetzt da dein treues Hertz in heissem Blute schwimmt!
3Darff mein elender Reim den Seelen-Riß auffreiben?
4Den stets ein neues Weh/ und herbes Ach! ergrimmt.
5Denn solche Schmertzen sind zu grossen Potentaten/
6Der beste Redner wird hier sprachloß und verstummt/
7Dein bleiches Angesicht/ die Augen wie Granaten/
8Und der erschrockne Leib in schwartzen Flor vermummt/
9Zu dem der Mutter Leid und ängstlich Hände ringen/
10Der Schwester Jam̃er-Gall/ der Freundschafft Thränē-See/
11Die lassen mich kein Lied bey solchem Zustand singen/
12Indem ich selbst nicht weiß ob ich bey Todten steh.
13Ich seh dein Hochzeit-Bett in einen Sarch verkehret/
14Eh noch die Cynthia uns neunmal angelacht/
15So wird dein Rebenstock sambt Blüth und Frucht verheeret/
16Muß dessen seyn ein Grab/ dem er das Leben bracht.
17Ach hängt Geburt und Tod in so genauen Ketten/
18Und sol das Leben denn des Sterbens Nachbar seyn!
19Die Stunde so uns heist das grosse Rund betreten
20Führt uns offt wieder ab/ und in das Grab hinein/
21Schien nicht des Himmels Gunst vollkommen dir geneiget/
22Als in dem ersten Lentz die Blume deiner Eh
23Was nur ergetzen kan/ anmuthig hat gezeiget?
24Floß dir nicht Segen zu von der gestirnten Höh?
25Es brandte deine Lieb in unzertrennten Flammen/
26Sie war dein Augen-Trost/ du ihrer Wünsche Ziel/
27Und göldner Friede band euch dergestalt zusammen/
28Daß nichts als Freud und Lust in beyder Armen fiel.
29Wer hätte da vermeynt (und war es zu ergründen?)
30Daß nach so kurtzer Zeit du deine Seelen-Lust
31Ins Leich-Tuch eingehüllt/ im Sarche soltest finden?
32Ach unverhoffter Fall/ und schmertzlicher Verlust!
33Ein eintzig Augenblick beraubt dich aller Freuden/
34Und läst dich nicht die Frucht von eurem Segen sehn/
35Zwey Hertzen müssen ietzt von deinem Hertzen scheiden/
36Welch Mensch verarget dir dein Winseln und dein Flehn?
37Des Creutzes Aloe ist hier nur allzubitter/
38Sie nimmt die Zuckerung des Trostes gar nicht an/
39Ein solcher Fall bestürtzt die trefflichsten Gemüther/
40Daß auch ein Stoicus sich hier nicht halten kan.
41Es mag die Vorder-Welt des Orpheus Treu beschreiben/
42Der sein’ Eurydice mit tausend Thränen sucht/
43Läst biß an Plutons Reich sich auch die Liebe treiben/
44Auff daß er nur erblickt den Schatten ihrer Flucht/
45Versöhnt mit seinem Klang die unversöhnten Geister/
46Und macht daß Klipp und Felß zugleich mitleidig seyn;
47So bleibt der grosse Schmertz hierinnen dennoch Meister
48Und keine Sehnsucht hilfft/ noch ein unendlich schrey’n.
49Gewiß/
50Mit Thränen voller Blut zurücke wieder ziehn/
51Jhr gar durch deinen Tod den Weg zum Leben bähnen
52Wann die verfallne Blum nur wieder könte blühn.
53Alleine kan ein Mensch den grossen GOtt betagen?
54Und rufft ein Erdenkloß den Schöpffer vor Gericht?
55Sein unerforschter Rath ist gar nicht aus zufragen/
56Das Urthel Zweiffels frey so seine Allmacht spricht.
57End-Urtheil müssen ja bey Sterblichen hoch gelten/
58Und solte GOttes Spruch bey dir nicht gültig seyn?
59Der die Gerechtigkeit/ läst auch sein Recht nicht schelten
60Das über alle Welt durchgehend allgemein.
61Ich weiß doch daß dein Sinn wie tieff er ietzt gebeuget
62Sich noch ermannen wird/ und schicken in die Zeit/
63Wie sehr der Trauer-Fall dir zu Gemüthe steiget/
64So hat doch die Gedult ein Pflaster schon bereit.
65Es muß dein Hertz hierinn nur einem Amboß gleichen
66Den jeder Unglücks-Schlag noch immer härter macht.
67Ein weiser steht getrost auch mitten unter Leichen/
68Und hofft auff seinen GOtt wenn gleich die Erd erkracht.
69Mißgönne nicht die Ruh der
70Ob sie schon in dem Lentz und erster Blüth vergeht/
71Es wird die
72In einem solchen Glantz worinn kein Stern nicht steht.
73Die seltne Frömmigkeit/ das Tugend-volle Leben/
74Die Andacht gegen GOtt/ die Liebe gegen dich
75Sind Zeugen welche sie mit einem Ruhm umbgeben/
76Den nicht die Grufft befleckt/ vergifft des Neides Stich.
77Wie fleissig hat sie nicht des HErren Hauß besuchet
78Mit feurigem Gebet verehret ihren GOtt/
79In rechtem Helden-Muth die Eytelkeit verfluchet/
80Und selbten noch bezeugt biß in die letzte Noth?
81Bey solchem Zustand muß der Mutter Hertz auch bluten/
82Weil ihrer Jahre Trost und Hoffnung so versinckt/
83Wie groß der Kummer sey ist unschwer zu vermuthen/
84Indem der Wangen-Feld nichts als nur Thränen trinckt.
85Wiewol sie hoch beglückt daß so ein Bild der Tugend
86Zu ihrem Trost und Ruhm sie auffer zogen hat.
87Die Keuschheit/ Zucht und Witz das Kleinod grüner Jugend
88Wird nicht in Sarg gelegt/ und blüht noch bey der Stadt.
89Betrübte/ die ihr sie als Tochter theils beweinet/
90Als
91In schwartzem Boy und Flor wehmütigst hier erscheinet/
92(klagt/
93Und mit der
94Bekämpffet euren Schmertz. Das schreckliche Gerichte/
95Wovon den Priester sie des Sontags noch gehört/
96Macht unsre
97Sie wird zur Rechten stehn und herrlich seyn geehrt.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Heinrich Mühlpfort (1639-1681)

* 07/10/1639 in Breslau, † 07/01/1681 in Breslau

männlich, geb. Mühlpfort

deutscher und lateinischer Dichter des Barock

(Aus: Wikidata.org)

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