Heinrich Mühlpfort: Trauer-Ode Uber frühzeitiges Verblühn J. L. S. v. S. den 27. Decembr. 1673. (1686)

1Soll JEsus in dem Stalle liegen/
2Und findt nicht in der Herberg Raum?
3So ruffst du ihn in deine Wiegen
4Louys' und küst ihn in dem Traum?
5Doch eylst du solchen Traum zu schliessen/
6Hier in der blassen Sterbligkeit/
7Umb daß du ihn dort mögest küssen/
8Und seyn in deinem Schatz erfreut.

9Es ehre unsers Heylands Krippen
10Entbrandter Hertzen Andachts-Schall/
11Du lispelst noch mit zarten Lippen
12(ach! eine süsse Nachtigall.)
13Jetzt unter tausend Cherubinen;
14Ein Kind hat uns das Heyl gebracht:
15Und stimmest bey den Seraphinen:
16Diß Kind hat uns befreyt gemacht.

17Man laß’ aus der Cumaner Grüfften/
18Sibyllen haben propheceyt/
19Wie GOtt ein Bündnüß würde stifften/
20Vermählen Zeit und Ewigkeit.
21Du keine Heydnische Sibylle/
22Hast JEsum dir zum Trost erkiest/
23Und weiß daß aller Weißheit Fülle/
24Und aller Gütter Schatz er ist.

25Sein Arm der hat dich auch geführet
26In so ein ruhig Schlaff-Gemach/
27Da dich kein Schmertzen mehr berühret/
28Da dir kein Elend folget nach.
29Wie friedsam lisst du deine Wiegen/
30Die Windeln/ als wie Fesseln/ stehn/
31Nun du an JEsus Brust solst liegen/
32Und mit ihm ein in Himmel gehn.

33Dein’ Augen werden nicht ersterben/
34Bricht sie schon hier des Todes Hand.
35Er wil mit seinem Blute färben
36Der Wangen jetzt verblasten Rand.
37Er wil den Todes-Schweiß weg wischen/
38Dich Lämchen nehmen in die Schoß/
39Und dich mit jenem Kelch erfrischen/
40Den er zu deinem Heyl vergoß.

41Muß schon das Fleisch wie Heu verschwinden/
42Schlieff doch dein Heiland auff dem Heu/
43Als er sich erst bey uns ließ finden;
44Und alles Fleisch ist Heu und Spreu.
45Wie eine Blume auff der Wiese
46Gar bald des Mäders Senß’ abmeyht/
47So auch Holdseeligste Louyse
48Verfällst du in der ersten Zeit.

49Du zartes Kind stirbst in der Wiegen/
50Gleich wie der Retter dieser Welt/
51Als Mensch wil in der Wiege liegen/
52Und uns die Ewigkeit fürstellt.
53Versichert/ daß er wird dein weinen
54Mit seinen Thränen trocknen ab/
55Du wirst verklärter einst erscheinen/
56Und als wie er/ gehn aus dem Grab.

57Er Bruder/ kleidet deine Seele/
58Als Schwester/ in ein solch Gewand/
59Das hier auff düstrer Erden Höle
60Kein sterblich Auge hat erkant.
61Er schencket dir ein solch Geschmeide/
62Vor dem des Demants Straal erblast/
63Hat Leben/ Herrligkeit und Freude
64In deinen Trau-Ring eingefast.

65Laß Menschen Hände immer weben/
66Ein bald vermodrend Ehren-Kleid.
67Die Unschuld so dich jetzt umbgeben
68Ist reiner als die beste Seid.
69Ach! Blum ins Paradieses Wiese/
70Stern/ dessen Licht sich nie verzehrt/
71Dreymal glückseelige Louyse
72Was hat dein JEsus dir beschert.

73Geehrtste Eltern stellt die Zähren
74Der nassen Wehmuth Perlen ein/
75Die zwar der Liebe ihr Begehren
76Und auch getreue Zeugen seyn.
77Doch weil sie ist so wol versetzet/
78So rufft Gelück Sibyllen zu.
79Und denckt/ daß die seyn hochgeschätzet
80Die GOtt so zeitlich krönt mit Ruh.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Heinrich Mühlpfort (1639-1681)

* 07/10/1639 in Breslau, † 07/01/1681 in Breslau

männlich, geb. Mühlpfort

deutscher und lateinischer Dichter des Barock

(Aus: Wikidata.org)

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