1Klingklang! Klingklang! kommt von allen Winden,
2Kommt und wimmelt scharenweis.
3Klingklang! Klingklang! was ich will verkünden,
4Höret, Kinder Prometheus'!
5Welkes Alter – rosenfrische Jugend,
6Warme Jungen mit dem muntern Blut,
7Spröde Damen mit der kalten Tugend,
8Blonde Schönen mit dem leichten Mut!
9Philosophen – Könige – Matronen,
10Deren Ernst Kupidos Pfeile stumpft,
11Deren Tugend wankt auf schwanken Thronen,
12Die ihr (nur nicht über
13Kommt auch ihr, ihr sehr verdächtgen Weisen,
14Deren Seufzer durch die Tempel schwärmt,
15Stolz prunkieret, und vielleicht den leisen
16Donner des Gewissens überlärmt,
17Die ihr in das Eis der Bonzenträne
18Eures Herzens geile Flammen mummt,
19Pharisäer mit der Janusmiene!
20Tretet näher – und verstummt.
21Die ihr an des Lebens Blumenschwelle
22In der Unschuld weißem Kleide spielt,
23Noch nicht wilder Leidenschaften Bälle,
24Unbefleckten Herzens feiner fühlt,
25Die ihr schon gereift zu ihren Giften
26Im herkulschen Scheidweg stutzend steht,
27Hier die Göttin in den Ambradüften,
28Dort die ernste Tugend seht,
29Die ihr schon vom Taumelkelch berauschet
30In die Arme des Verderbens springt,
31Kommt zurücke, Jünglinge, und lauschet,
32Was der Weisheit ernste Leier singt.
33Euch zuletzt noch, Opfer des Gelustes,
34Ewig nimmer eingeholt vom Lied,
35Haltet still, ihr Söhne des Verlustes!
36Zeuget wider die Verklagte mit.
37Klingklang! Klingklang! schimpflich hergetragen
38Von des Pöbels lärmendem Hussah!
39Angejochet an den Hurenwagen
40Bring ich sie, die Metze Zypria.
41Manch Histörchen hat sie aufgespulet,
42Seit die Welt um ihre Spindel treibt,
43Hat sie nicht der Jahrzahl nachgebuhlet,
44Die sich vom verbotnen Baume schreibt?
45Hum! Bis hieher dachtest dus zu sparen?
46Mamsell! Gott genade dich!
47Wiß! so sauber wirst du hier nicht fahren
48Als im Arm von deinem Ludewig.
49Noch so schelmisch mag dein Auge blinzen,
50Noch so lächeln dein verhexter Mund,
51Diesen Richter kannst du nicht scharwenzen
52Mit gestohlner Mienen Gaukelbund.
53Ja so heule – Metze, kein Erbarmen!
54Streift ihr keck das seidne Hemdchen auf.
55Auf den Rücken mit den runden Armen!
56Frisch! und patschpatsch! mit der Geißel drauf.
57Höret an das Protokoll voll Schanden,
58Wie's die Garstge beim Verhöre glatt
59Weggelogen oder gleich gestanden
60Auf den Zuspruch dieser Geißel hat.
61Volkbeherrscher, Götter unterm Monde,
62Machtumpanzert zu der Menschen Heil,
63Hielt die Buhlin mit dem Honigmunde
64Eingemauert im Serail.
65O da lernen Götter – menschlich fühlen,
66Lassen sich fast sehr herab zum – Vieh,
67Mögt ihr nur in Nasos Chronik wühlen,
68Schnakisch stehts zu lesen hie.
69Wollt ihr Herren nicht skandalisieren,
70Werft getrost den Purpur in den Kot,
71Wandelt wie Fürst Jupiter auf vieren,
72So erspart ihr ein verschämtes Rot.
73Nebenbei hat diese Viehmaskierung
74Manchem Zeus zum Wunder angepaßt,
75Heil dabei der weisen Volksregierung,
76Wenn der Herrscher auf der Weide grast!
77Dem Erbarmen dorren ihre Herzen
78(o auf Erden das Elysium),
79Durch die Nerven bohren Höllenschmerzen,
80Kehren sie zu wilden Tigern um.
81Lose Buben mäkeln mit dem Fürstensiegel,
82Kreaturen vom gekrönten Tier,
83Leihen dienstbar seiner Wollust Flügel
84Und ermauscheln Kron und Reich dafür.
85Ja die Hure (laßts ins Ohr euch flistern)
86Bleibt auch selbst im Kabinett nicht stumm,
87In dem Uhrwerk der Regierung nistern
88Öfters Venusfinger um.
89Blinden Fürsten dienet sie zum Stocke,
90Blöden Fürsten ist sie Bibelbuch.
91Kam nicht auch aus einem Weiberrocke
92Einst zu Delphos Götterspruch?
93Mordet! Raubet! Lästert, ja verübet,
94Was nur greulich sich verüben läßt –
95Wenn ihr Lady Pythia betrübet,
96O so haltet eure Köpfe fest!
97Ha! wie manchen warf sie von der Höhe!
98Von dem Rumpf wie manchen Biederkopf!
99Und wie manchen hub die geile Fee,
100Fragt warum? – Um einen dicken Zopf.
101Dessen Siegesgeiz die Erde schrumpfte,
102Dessen tolle Diademenwut
103Gegen Mond und Sirius triumphte,
104Hoch gehoben von der Sklaven Blut,
105Dem am Markstein dieser Welt entsunken
106Jene seltne Träne war,
107Vom Saturnus noch nicht aufgetrunken,
108Nie vergossen, seit die Nacht gebar,
109Jenen Jüngling, der mit Riesenspanne
110Die bekannte Welt umgriff,
111Hielte sie zu Babylon im Banne,
112Und das – Weltpopanz entschlief.
113Manchen hat ins Elend sie gestrudelt,
114Eingetrillert mit Sirenensang,
115Dem im Herzen warme Kraft gesprudelt
116Und des Ruhms Posaune göttlich klang.
117An des Lebens Vesten leckt die Schlange,
118Geifert Gift ins hüpfende Geblüt,
119Knochen dräuen aus der gelben Wange,
120Die nun aller Purpur flieht.
121Hohl und hager, wandelnde Gerippe,
122Keuchen sie in des Cocytus Boot.
123Gebt den Armen Stundenglas und Hippe,
124Huh! – und vor euch steht der Tod.
125Jünglinge, o schwöret ein Gelübde,
126Grabet es mit goldnen Ziffern ein:
127Fliehet vor der rosigten Charybde,
128Und ihr werdet Helden sein.
129Tugend stirbet in der Phrynen Schoße,
130Mit der Keuschheit fliegt der Geist davon,
131Wie der Balsam aus zerknickter Rose,
132Wie aus rißnen Saiten Silberton.
133Venus' Finger bricht des Geistes Stärke,
134Spielet gottlos, rückt und rückt
135An des Herzens feinem Räderwerke,
136Bis der Seiger des Gewissens – lügt.
137Eitel ringt, und wenn es Schöpfung sprühte,
138Eitel ringt das göttlichste Genie,
139Martert sich an schlappen Saiten müde,
140Wohlklang fließt aus toten Trümmern nie. –
141Manchen Greisen, an der Krücke wankend,
142Schon hinunter mit erstarrtem Fuß
143In den Abgrund des Avernus schwankend,
144Neckte sie mit tödlich süßem Gruß.
145Quälte noch die abgestumpften Nerven
146Zum erstorbnen Schwung der Wollust auf,
147Drängte ihn, die träge Kraft zu schärfen,
148Frisch zu spornen zäher Säfte Lauf.
149Seine Augen sprühn erborgte Strahlen,
150Tödlich munter springt das schwere Blut,
151Und die aufgejagten Muskeln prahlen
152Mit des Herzens letzlichem Tribut.
153Neuverjüngt beginnt er aufzuwarmen,
154All sein Wesen zuckt in
155Aber husch! entspringt sie seinen Armen,
156Spottet ob dem matten Kämpfer hin.
157Was für Unfug in geweihten Zellen
158Hat die Hexe nicht schon angericht'?
159Laßt des Doms Gewölbe Rede stellen,
160Das den leisen Seufzer lauter spricht.
161Manche Träne – aus Pandoras Büchse –
162Sieht man dort am Rosenkranze glühn,
163Manchen Seufzer vor dem Kruzifixe
164Wie die Taube vor dem Stößer fliehn.
165Durch des Schleiers vorgeschobne Riegel
166Malt die Welt sich schöner, wie ihr wißt,
167Phantasie leiht ihren Taschenspiegel,
168Wenn das Kind das Paternoster küßt.
169Siebenmal des Tages muß der gute
170Michael dem starken Moloch stehn,
171Beide prahlen mit gleich edlem Blute,
172Jeder, wißt ihr, heißt den andern gehn.
173Puh! da splittert Molochs schwächres Eisen!
174(armes Kind! wie bleich wirst du!)
175In der Angst (wer kann es Vorsatz heißen?)
176Wirft sie ihm die Zitternadel zu.
177Junge Witwen – vierzigjährge Zofen
178Feuriger Komplexion,
179Die schon lange auf – Erlösung hoffen,
180Allzufrüh der schönen Welt entflohn,
181Braune Damen – rabenschwarzen Haares,
182Schwergeplagt mit einem siechen Mann,
183Fassen oft – die Hörner des Altares,
184Weil der Mensch nicht helfen kann.
185Fromme Wut begünstigt heiße Triebe,
186Gibt dem Blute freien Schwung und Lauf –
187Ach zu oft nur drückt der Gottesliebe
188Aphrodite ihren Stempel auf.
189Nymphomanisch schwärmet ihr Gebete
190(fragt Herrn Doktor Zimmermann),
191Ihren Himmel – sagt! was gilt die Wette? –
192Malt zum Küssen euch ein Tizian! –
193Selbst im Rathaus hat sies angesponnen,
194Blauen Dunst Asträen vorgemacht,
195Die geschwornen Richter halb gewonnen,
196Ihres Ernstes Falten weggelacht.
197Inquisitin ließ das Halstuch fallen,
198Jeder meinte, sei von ohngefähr!
199Potz! da liegts wie Alpen schwer auf allen,
200Närrisch spukts um unsern Amtmann her.
201Sprechet selbst – was war dem Mann zu raten?
202Dies verändert doch den Statum sehr. –
203»inquisitin muß man morgen laden,
204Heute geb ich
205Und – wär nicht Frau Amtmännin gekommen
206(unserm Amtmann krachts im sechsten Sinn),
207Wär der Balg ins Trockne fortgeschwommen,
208Dank seis der Frau Amtmännin!
209Auch den Klerus (denkt doch nur, die Lose),
210Selbst den Klerus hat sie kalumniert.
211Aber gelt! – mit einem derben Stoße
212Hat man dir dein Lügenmaul pitschiert.
213Damen, die den Bettelsack nun tragen,
214Ungeschickt zu weiterem Gewinst,
215Matte Ritter, die Schamade schlagen,
216Invaliden in dem langen Dienst,
217Setzt sie (wie's auch große Herren wissen)
218Mit beschnittner Pension zur Ruh,
219Oder schickt wohl gar die Leckerbissen
220Ihrer Feindin – Weisheit zu.
221(weine, Weisheit, über die Rekruten,
222Die dir Venus Aphrodite schickt,
223Sie verhüllen unter frommen Kutten
224Nur den Mangel, der sie heimlich drückt.
225Würde Amors Talisman sie rühren,
226Nur ein Hauch von Zypern um sie wehn –
227O sie würden hurtig desertieren
228Und zur alten Fahne übergehn.) –
229Sehet, und der Lüstlingin genüget
230Auch nicht an des Torus geiler Brunst,
231Selbst die Schranken des Geschlechts besieget
232Unnatürlich ihre Schlangenkunst.
233Denket – doch ob dieser Schandenliste
234Reißt die Saite, und die Zunge stockt;
235Fort mit ihr aufs schimpfliche Gerüste,
236Wo das Aas den fernen Adler lockt.
237Dorten soll mit Feuergriffel schreiben
238Auf ihr Buhlinangesicht das Wort:
239Durch die Welt die Erzbetrügrin fort.
240So gebot der weise Venusrichter.
241Wie der weise Venusrichter hieß?
242Wo er wohnte? Wünscht ihr von dem Dichter
243Zu vernehmen – so vernehmet dies:
244Wo noch kein Europersegel brauste,
245Kein Kolumb noch steuerte, noch kein
246Cortez siegte, kein Pizarro hauste,
247Wohnt auf einem Eiland – Er allein.
248Dichter forschten lange nach dem Namen –
249Vorgebirg des Wunsches nannten sies,
250Die Gedanken, die bis dahin schwammen,
251Nanntens – das verlorne Paradies.
252Als vom ersten Weibe sich betrügen
253Ließ der Männer erster, kam ein Wasserstoß,
254Riß, wenn Sagen Helikons nicht lügen,
255Von vier Welten diese Insel los.
256Einsam schwimmt sie im Atlantschen Meere,
257Manches Schiff begrüßte schon das Land,
258Aber ach – die scheiternde Galeere
259Ließ den Schiffer tot am Strand.