Friedrich Schiller: Morgenphantasie (1782)

1Frisch atmet des Morgens lebendiger Hauch,
2Purpurisch zuckt durch düstre Tannenritzen
3Das junge Licht und äugelt aus dem Strauch,
4In goldnen Flammen blitzen
5Der Berge Wolkenspitzen,
6Mit freudig melodisch gewirbeltem Lied
7Begrüßen erwachende Lerchen die Sonne,
8Die schon in lachender Wonne
9Jugendlich schön in Auroras Umarmungen glüht.

10Sei, Licht, mir gesegnet!
11Dein Strahlenguß regnet
12Erwärmend hernieder auf Anger und Au.
13Wie silberfarb flittern
14Die Wiesen, wie zittern
15Tausend Sonnen im perlenden Tau!

16In säuselnder Kühle
17Beginnen die Spiele
18Der jungen Natur,
19Die Zephire kosen
20Und schmeicheln um Rosen,
21Und Düfte beströmen die lachende Flur.

22Wie hoch aus den Städten die Rauchwolken dampfen,
23Laut wiehern und schnauben und knirschen und strampfen
24Die Rosse, die Farren,
25Die Wagen erknarren
26Ins ächzende Tal.
27Die Waldungen leben
28Und Adler und Falken und Habichte schweben,
29Und wiegen die Flügel im blendenden Strahl.

30Den Frieden zu finden,
31Wohin soll ich wenden
32Am elenden Stab?
33Die lachende Erde
34Mit Jünglingsgebärde
35Für mich nur ein Grab!

36Steig empor, o Morgenrot, und röte
37Mit purpurnem Kusse Hain und Feld.
38Säusle nieder, Abendrot, und flöte
39Sanft in Schlummer die erstorbne Welt.
40Morgen – ach! du rötest
41Eine Totenflur,
42Ach! und du, o Abendrot, umflötest
43Meinen langen Schlummer nur.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Author

Friedrich Schiller (1759-1805)

* 11/10/1759 in Marbach am Neckar, † 05/09/1805 in Weimar

männlich, geb. Schiller

natürliche Todesursache - Tuberkulose

deutscher Dichter, Philosoph und Historiker

(Aus: Wikidata.org)

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