Johann Fischart: Wiwol es vil ist, das die kunst Titel entspricht 1. Vers(1568)

1Wiwol es vil ist, das die kunst
2Ir selber schaffet lib vnd gunst
3Vnd anderen ergezlichait,
4Noch ist vil meh die nuzbarkait;
5Dan gmäl mag auch die thir ergezen
6Vnd sint drum nicht für meh zuschätzen:
7Aesopi wolf fräut auch ain bild,
8Plib doch ain Wild vnd wurd nie milt:
9Ain kind sicht auch gern gmalte schilt,
10Wiwol es nicht sein deitnus fült:
11So sagt man, das gmainlich die götzen
12Die götzen pflegen zuergetzen;
13Aber ain Weiser höher sucht,
14Acht nicht der schal, sonder der frucht,
15Diweil er wais, das ehrlich künst
16Sint gschaffen zu des menschen dinst.
17Was solln aber für dinst dis haisen,
18Die nicht das gmüt auch vnterweisen?
19Was solt ain weiser sich dran gnügen,
20Das Parrhasius kan betrigen
21Mit seinem schöngemalten trauben
22Die ainfaltig gelustrig Dauben?
23Het er das kind, welchs den traub führt,
24Recht gmalt, kain Daub hets nit berürt,
25Vnd wer er nicht vil thauber gwesen,
26Als alle dauben, die wir essen,
27Het er zerstosen nicht die hand,
28Da er wolt zihen von der wand
29Den vmhang, auf das er beseh,
30Was dahinden gemalet steh
31Was ists, das der fremd maler Dosse
32Malt etlich bör so schön zum bossen,
33Das sie die Pfauen so zerbissen,
34Bis gar der Kalk ist abgerissen?
35Oder das ain baum ainer malt
36In ain Kirch, so artlich gestalt,
37Das vil Vögel, gar grob betrogen,
38Drauf zusitzen, sind zugeflogen?
39Vnd das ainer so wol malt zigel
40Auf thuch vnd gzelten, das manch gflügel
41Zuflog vnd sich darauf wolt setzen,
42Seinen schnabel daran zuwetzen?
43Desgleichen, das ab gmalter schlang
44Vil Vögel vergasen jr gsang,
45Vnd ain trostel also erschrak,
46Das jr die Pfeif ful gar in sack?
47Solch ding sint, wie man spricht, nur kizlig;
48Aber zur besserung nicht vil nüzlich,
49Vnd welchen solch schlecht ding erfreuen,
50Möcht lachen auch der Vogelscheuen
51Auch auf der Vogelherd der flücken,
52Vnd wan Vögel in dfenster picken;
53Auch das der Esel scheucht sein schetten,
54Vnd Mäidlin gern vorm spigel betten,
55Vnd das Narcisso sein gestalt
56So mächtig wol im pronnen gfallt.
57Aber ain Weiser mitlaid hat
58Mit anderer ainfalt vnd schad,
59Lehrt draus erkennen seine gab,
60Wie er Got meh zudanken hab,
61Vnd was die kunst wol laisten künnt,
62Wan man auf nuzlich sach sie gründ,
63Vnd wiwol er nach Menschenprauch
64Bei liblichait solcher kunst auch
65Sucht sein fräud vnd ergezlichait,
66Jdoch sie in nicht gar verlait,
67Das er nicht vil meh forscht vnd tracht,
68Wie er sie im zu nuz auch macht.
69Dan wer ist so ain Vnmensch schlecht,
70Der nicht mit lust auch sehen möcht
71Apellis pferd, gemalt so rustig,
72Das ain lebhafts im zuschri lustig?
73Oder des Herzogs Türckischen hund
74Zu Mantua, der so schön stund
75Gemalt vom maler Monsignor,
76Das der hund, so im gramm war vor,
77So oft er fürlif, in fuhl an
78Vnd zerstis oft den Kopf daran?
79Auch das alt Weib, so vngestalt,
80Das selbs der Zeusis, der es malt,
81Sich hat zu tod gelacht darüber,
82Da andre doch ausspien drüber?
83Jdoch wie gern der Weis dis seh,
84Noch seh er liber nuzlichs meh,
85Das das gemäl bericht die sel,
86Wie sie nicht fäl, vnd guts erwehl,
87Das es sein kraft vnd artlichait
88Nicht allain wend zur zartlichait,
89Sonder zu vnterricht dem gmüt,
90Das es inn lastern nicht verwüt,
91Vnd nicht allain der augen plick,
92Sonder das herz erquick vnd schick,
93Welches dan es sehr leichtlich kan,
94Wan es sein künstlichait legt an
95An die hailig Historisch gschicht,
96Nuzlich exempel vnd gedicht,
97Poetisch fünd, gmalt Poesi,
98Lehrbild vnd gmalt Philosophi,
99Welches zwar solche sachen sint,
100Das je meh man nachsinnt vnd gründ,
101Je meh sie schärfen den verstand
102Vnd machen die sach bas bekant.
103Drum warn die Maler je und je
104Poeten vnd Philosophi,
105Vnd Pamphylus wolt kain lehren nie,
106Er könnt dan die Geometri,
107Auch Rechnen vnd les die Poeten,
108So die erfindung mehren theten;
109Drum hat er auch solch schuler ghabt,
110Die for andern warn hoch begabt,
111Apellem vnd den Pausiam,
112Bei den die Kunst so hoch aufkam,
113Das man jr stift zu Sicion
114Sonder schulen, darein zugohn
115Vnd der fürnem Melanthius
116Rümt, das durch Malens fördernus
117An Weishait er hab zugenommen.
118Secht, wa durchs gmäl man hin kan kommen!
119Auch bzeugt solchs, das aus malens grund
120Die erst Egyptisch schrift entstund,
121All Weishait vnd Theologi,
122Die Hieroglyphisch nanten sie.
123Drum, wa die Kunst erhalten würd,
124Daselbs all freuntlichait man spürt,
125Sint alle künst inn jrer plüh;
126Wa aber ist abgschaffen sie,
127Da ist gewis all Barbarei,
128Wie solchs bescheint in der Türckei.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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