Gotthold Ephraim Lessing: Die Ente (1755)

1Ente, wahres Bild von mir,
2Wahres Bild von meinen Brüdern!
3Ente, jetzo schenk' ich dir
4Auch ein Lied von meinen Liedern.

5Oft und oft muß dich der Neid
6Zechend auf dem Teiche sehen.
7Oft sieht er aus Trunkenheit
8Taumelnd dich in Pfützen gehen.

9Auch ein Tier – – o das ist viel!
10Hält den Satz für wahr und süße,
11Daß, wer glücklich leben will,
12Fein das Trinken lieben müsse.

13Ente, ists nicht die Natur,
14Die dich stets zum Teiche treibet?
15Ja, sie ists; drum folg' ihr nur.
16Trinke, bis nichts übrig bleibet.

17Ja, du trinkst und singst dazu.
18Neider nennen es zwar schnadern;
19Aber, Ente, ich und du
20Wollen nicht um Worte hadern.

21Wem mein Singen nicht gefällt,
22Mag es immer Schnadern nennen.
23Will uns nur die neid'sche Welt
24Als versuchte Trinker kennen.

25Aber, wie betaur' ich dich,
26Daß du nur mußt Wasser trinken.
27Und wie glücklich schätz' ich mich,
28Wenn mir Weine dafür blinken!

29Armes Tier, ergib dich drein.
30Laß dich nicht den Neid verführen.
31Denn des Weins Gebrauch allein
32Unterscheidet uns von Tieren.

33In der Welt muß Ordnung sein.
34Menschen sind von edlern Gaben.
35Du trinkst Wasser, und ich Wein;
36So will es die Ordnung haben.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781)

* 01/22/1729 in Kamenz, † 02/15/1781 in Braunschweig

männlich, geb. Lessing

deutscher Dichter der Aufklärung

(Aus: Wikidata.org)

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