Johann Peter Uz: Die Glückseligkeit (1755)

1Der Wahrheit ernste Stimm erschallt in mei-
2nem Busen:
3Hört eure Lehrerinn! sie selbst hat mich er-
4nannt
5Und auf den Flügeln süsser Musen
6An euch, ihr Sterblichen! gesandt.

7Es flammt ein Welten-Heer in angewiesnen Grän-
8zen:
9Es ist im lichten Raum, wo in bestimmter Bahn
10Die ungezählten Sonnen glänzen,
11Der Ordnung alles unterthan.

12Zur Ordnung ward, was ist, eh etwas war, erlesen:
13Sie fordert sanften West und stürmisch Ungestüm:
14Jhr Band verknüpfet alle Wesen,
15Vom Staube bis zu Cherubim.

16Der ganzen Schöpfung Wohl ist unser erst Gesetze:
17Ich werde glücklich seyn, wenn ich durch keine That
18Dieß allgemeine Wohl verletze,
19Für welches ich die Welt betrat:

20Wenn wider meine Pflicht mein Herz sich nicht em-
21pöret,
22Und niedrer Eigennutz, der die Begierden stimmt
23Und ihre Harmonie zerstöret,
24Nicht unter meinen Trieben glimmt.

25Die Quelle falscher Lust, die Aristipp gefunden,
26Haucht ekle Bitterkeit selbst unter Bluhmen aus.
27Den Weichling drücken leere Stunden:
28Die Ruhe flieht sein marmorn Haus.

29Denn reine Freude quillt allein aus reinem Herzen:
30Sein Zeugniß, daß wir thun, was unsre Pflicht gebeut,
31Entwaffnet Ungeduld und Schmerzen,
32In Tagen voller Dunkelheit.

33Quält mich sein Urtheil nicht mit nagendem Verdrusse,
34So sey mein Eigenthum der schlauen Bosheit Raub;
35So trete mich mit stolzem Fusse
36Das ungestüme Glück in Staub.

37Ich winsle nicht um Trost, nicht weibisch um Er-
38barmen:
39Die Ruhe folget mir zum armen Strohdach hin,
40Wo ich in reiner Wollust Armen
41Durch Unschuld reich und glücklich bin.

42Fehlt innre Ruhe nicht; was fehlet meinem Leben,
43Als was entbehrlich ist und unentbehrlich scheint?
44Sollt ich bey iedem Unfall beben,
45Und weinen, wann die Thorheit weint?

46Mit weiser Huld vertheilt das Schicksal Weh und
47Freuden,
48Das bald auf Rosen uns durchs Leben wandern heißt,
49Bald aber durch bedornte Leiden
50Des Lasters Armen uns entreißt.

51Ein Blick in vorig Leid wird künftig uns entzücken,
52Wenn unsrem Auge sich der Ordnung Plan entdeckt,
53Der nun vor unsern kühnen Blicken
54In heilig Dunkel sich versteckt.

(Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Johann Peter Uz (1720-1796)

* 10/03/1720 in Ansbach, † 05/12/1796 in Ansbach

männlich, geb. Uz

deutscher Dichter

(Aus: Wikidata.org)

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