1Ein Dämpfer kam von Bieberich: — stolz war
2die Furche, die er zog!
3Er qualmt’ und räderte zu Thal, daß rechts und
4links die Brandung flog!
5Von Wimpeln und von Flaggen voll, schoß er
6hinab keck und erfreut:
7Den König, der in Preußen herrscht, nach seiner
8Rheinburg trug er heut!
9Die Sonne schien wie lauter Gold! Auftauchte
10schimmernd Stadt um Stadt!
11Der Rhein war wie ein Spiegel schier, und das
12Verdeck war blank und glatt!
13Die Dielen blitzten frisch gebohnt, und auf den
14schmalen her und hin
15Vergnügten Auges wandelten der König und die
16Königin!
17Nach allen Seiten schaut’ umher und winkte das
18erhabne Paar;
19Des Rheingau’s Reben grüßten sie und auch dein
20Nußlaub, Sankt Goar!
21Sie sahn zu Rhein, sie sahn zu Berg: — wie
22war das Schifflein doch so nett!
23Es ging sich auf den Dielen fast, als wie auf
24Sanssouci’s Parket!
25Doch unter all der Nettigkeit und unter all der
26schwimmenden Pracht,
27Da frißt und flammt das Element, das sie von
28dannen schießen macht;
29Da schafft in Ruß und Feuersgluth, der dieses
30Glanzes Seele ist;
31Da steht und schürt und ordnet er — der Prole-
32tarier-Maschinist!
33Da draußen lacht und grünt die Welt, da draußen
34blitzt und rauscht der Rhein —
35Er stiert den lieben langen Tag in seine Flam-
36men nur hinein!
37Im wollnen Hemde, halbernackt, vor seiner Esse
38muß er steh’n,
39Derweil ein König über ihm einschlürft der Berge
40freies Weh’n!
41Jetzt ist der Ofen zugekeilt, und Alles geht und
42Alles paßt;
43So gönnt er auf Minuten denn sich eine kurze
44Sklavenrast.
45Mit halbem Leibe taucht er auf aus seinem lo-
46dernden Versteck;
47In seiner Fallthür steht er da, und überschaut sich
48das Verdeck.
49Das glüh’nde Eisen in der Hand, Antlitz und Arme
50roth erhitzt,
51Mit der gewölbten haar’gen Brust auf das Ge-
52länder breit gestützt —
53So läßt er schweifen seinen Blick, so murrt er
54leis dem Fürsten zu:
55„wie mahnt dies Boot mich an den Staat! Licht
56auf den Höhen wandelst
57„tief unten aber, in der Nacht und in der Arbeit
58dunkelm Schoos,
59Tief unten, von der Noth gespornt, da schür’ und
60schmied’
61Nicht meines nur, auch Deines, Herr! Wer hält
62die Räder Dir im Takt,
63Wenn nicht mit schwielenharter Faust der Heizer
64seine Eisen packt?
65„du bist viel weniger ein Zeus, als ich, o König,
66ein Titan!
67Beherrsch’ ich nicht, auf dem Du gehst, den all-
68zeit kochenden Vulkan?
69Es liegt an mir: — Ein Ruck von mir, Ein
70Schlag von mir zu dieser Frist,
71Und siehe, das Gebäude stürzt, von welchem Du
72die Spitze bist!
73„der Boden birst, aufschlägt die Gluth und sprengt
74Dich krachend in die Luft!
75Wir aber steigen feuerfest aufwärts an’s Licht aus
76unsrer Gruft!
77Wir sind die Kraft! Wir hämmern jung das alte
78morsche Ding, den Staat,
79Die wir von Gottes Zorne sind bis jetzt das Pro-
80letariat!
81„dann schreit’ ich jauchzend durch die Welt! Auf mei-
82nen Schultern, stark und breit,
83Ein neuer Sankt Christophorus, trag’ ich den Christ
84der neuen Zeit!
85Ich bin der Riese, der nicht wankt! Ich bin’s,
86durch den zum Siegesfest
87Ueber den tosenden Strom der Zeit der Heiland
88Geist sich tragen läßt!“
89So hat in seinen krausen Bart der grollende Cyklop
90gemurrt;
91Dann geht er wieder an sein Werk, nimmt sein
92Geschirr, und stocht und purrt.
93Die Hebel knirschen auf und ab, die Flamme
94strahlt ihm in’s Gesicht,
95Der Dampf rumort; — er aber sagt: „Heut, zor-
96nig Element noch nicht!“
97Der bunte Dämpfer unterdeß legt vor Kapellen
98zischend an;
99Sechsspännig fährt die Majestät den jungen Stolzen-
100fels hinan.
101Der Heizer auch blickt auf zur Burg; von seinen
102Flammen nur behorcht,
103Lacht er: „Ei, wie man immer doch für künftige
104Ruinen sorgt!“