Jakob Michael Reinhold Lenz: Nur der bleibende Himmel kennt Titel entspricht 1. Vers(1776)

1Nur der bleibende Himmel kennt
2Was er den schwachen Sterblichen gönnt;
3All ihr Glück erstohlen von Quaalen;
4Hinter Wolken zitternde Stralen;
5Was ihr Herz sich gesteht und verheelt,
6Alles hat er ihnen zugezählt;
7Unerbittlich – all ihre Triebe,
8Alle Gestalten und Grad' ihrer Liebe,
9Alle Fehler des Augenblicks,
10Oft die Räuber ewigen Glücks,
11Allen Unverstand, Delikatessen,
12Wo sie nicht noth waren, Plumpheit, Vergessen
13Seiner selbst, oder dessen was nie
14Gut gemacht wird, der Harmonie,
15Die aller Wesen Wohlstand erhält,
16Dieses Himmels auf der Welt –
17All das läßt er mit kindischem Schrein
18Uns in der Wiege schon prophezein.
19Reitzt nicht oft schon des Säuglings Stimme
20Seinen Zorn zum künftigen Grimme
21Und seiner stillen Thränen Geduld
22Seine Gnade zur künftigen Huld?
23Ach womit muß ich's versehen haben,
24Daß meine erste Liebe begraben?
25Daß meines Herzens Unbestand
26Nachher nirgends Ruhe fand?
27Daß deine köstlichsten Schätze auf Erden
28Mir nur im Fluge gewiesen werden;
29Und in dem schwimmenden Augenblick
30Des seeligen Genusses – beb' ich zurück
31Fort in den furchtbaren Strudel des Geschickes;
32Fort fort ohne Hofnung des vorigen Glückes,
33Ohne Wiedererinnerung fort,
34Wo mein Leben in Wüsten verdorrt,
35Wo niemand Theil nimmt, niemand mich kennet,
36Niemand mir Theil zu nehmen gönnet,
37Und die Natur selbst kälter scheint,
38Weil sich niemand mit ihr befreundt?
39O gute Götter! wie glückliche Stunden,
40Wie schröcklich leere sind mir verschwunden!
41Ihr zählet sie alle. Bewilligt mir
42Nur eine Bitte: solltet ihr
43Noch der glücklichen übrig haben,
44Ach geht sparsam mit euren Gaben!
45Hieltet ihr aber doch nicht Hauß,
46Mir zur Strafe vielleicht, so halt ich
47Wenigstens zu der Sterbestunde
48Mir ein Stündgen mit – aus.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792)

* 01/12/1751 in Cesvaine, † 06/15/1792 in Moskau

männlich, geb. Lenz

deutscher Schriftsteller

(Aus: Wikidata.org)

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