Heinrich Heine: 21. (1826)

1Herr Peter und Bender saßen beim Wein,
2Herr Bender sprach: »Ich wette,
3Bezwänge dein Singen die ganze Welt,
4Doch nimmer bezwingt es Frau Mette.«

5Herr Peter sprach: »Ich wette mein Roß,
6Wohl gegen deine Hunde,
7Frau Mette sing ich nach meinem Hof,
8Noch heut, in der Mitternachtstunde.«

9Und als die Mitternachtstunde kam,
10Herr Peter hub an zu singen;
11Wohl über den Fluß, wohl über den Wald
12Die süßen Töne dringen.

13Die Tannenbäume horchen so still,
14Die Flut hört auf zu rauschen,
15Am Himmel zittert der blasse Mond,
16Die klugen Sterne lauschen.

17Frau Mette erwacht aus ihrem Schlaf:
18»wer singt vor meiner Kammer?«
19Sie achselt ihr Kleid, sie schreitet hinaus; –
20Das ward zu großem Jammer.

21Wohl durch den Wald, wohl durch den Fluß
22Sie schreitet unaufhaltsam;
23Herr Peter zog sie nach seinem Hof
24Mit seinem Liede gewaltsam.

25Und als sie morgens nach Hause kam,
26Vor der Türe stand Herr Bender:
27»frau Mette, wo bist du gewesen zur Nacht,
28Es triefen deine Gewänder?«

29»ich war heut nacht am Nixenfluß,
30Dort hört ich prophezeien,
31Es plätscherten und bespritzten mich
32Die neckenden Wasserfeien.«

33»am Nixenfluß ist feiner Sand,
34Dort bist du nicht gegangen,
35Zerrissen und blutig sind deine Füß',
36Auch bluten deine Wangen.«

37»ich war heut nacht im Elfenwald,
38Zu schauen den Elfenreigen,
39Ich hab mir verwundet Fuß und Gesicht,
40An Dornen und Tannenzweigen.«

41»die Elfen tanzen im Monat Mai,
42Auf weichen Blumenfeldern,
43Jetzt aber herrscht der kalte Herbst
44Und heult der Wind in den Wäldern.«

45»bei Peter Nielsen war ich heut nacht,
46Er sang, und zaubergewaltsam,
47Wohl durch den Wald, wohl durch den Fluß,
48Es zog mich unaufhaltsam.

49Sein Lied ist stark als wie der Tod,
50Es lockt in Nacht und Verderben.
51Noch brennt mir im Herzen die tönende Glut;
52Ich weiß, jetzt muß ich sterben.« –

53Die Kirchentür ist schwarz behängt,
54Die Trauerglocken läuten;
55Das soll den jämmerlichen Tod
56Der armen Frau Mette bedeuten.

57Herr Bender steht vor der Leichenbahr',
58Und seufzt aus Herzensgrunde:
59»nun hab ich verloren mein schönes Weib
60Und meine treuen Hunde.«

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Heinrich Heine (1797-1856)

* 12/13/1797 in Düsseldorf, † 02/17/1856 in Paris

männlich, geb. Heine

- Bleivergiftung

deutscher Dichter und Publizist

(Aus: Wikidata.org)

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