1In Arabiens Märchenbuche
2Sehen wir verwünschte Prinzen,
3Die zuzeiten ihre schöne
4Urgestalt zurückgewinnen:
5Das behaarte Ungeheuer
6Ist ein Königsohn geworden;
7Schmuckreich glänzend angekleidet,
8Auch verliebt die Flöte blasend.
9Doch die Zauberfrist zerrinnt,
10Und wir schauen plötzlich wieder
11Seine königliche Hoheit
12In ein Ungetüm verzottelt.
13Einen Prinzen solchen Schicksals
14Singt mein Lied. Er ist geheißen
15Israel. Ihn hat verwandelt
16Hexenspruch in einen Hund.
17Hund mit hündischen Gedanken,
18Kötert er die ganze Woche
19Durch des Lebens Kot und Kehricht,
20Gassenbuben zum Gespötte.
21Aber jeden Freitagabend,
22In der Dämmrungstunde, plötzlich
23Weicht der Zauber, und der Hund
24Wird aufs neu' ein menschlich Wesen.
25Mensch mit menschlichen Gefühlen,
26Mit erhobnem Haupt und Herzen,
27Festlich, reinlich schier gekleidet,
28Tritt er in des Vaters Halle.
29»sei gegrüßt, geliebte Halle
30Meines königlichen Vaters!
31Zelte Jakobs, eure heil'gen
32Eingangspfosten küßt mein Mund!«
33Durch das Haus geheimnisvoll
34Zieht ein Wispern und ein Weben,
35Und der unsichtbare Hausherr
36Atmet schaurig in der Stille.
37Stille! Nur der Seneschall
38(vulgo Synagogendiener)
39Springt geschäftig auf und nieder,
40Um die Lampen anzuzünden.
41Trostverheißend goldne Lichter,
42Wie sie glänzen, wie sie glimmern!
43Stolz aufflackern auch die Kerzen
44Auf der Brüstung des Almemors.
45Vor dem Schreine, der die Thora
46Aufbewahret und verhängt ist
47Mit der kostbar seidnen Decke,
48Die von Edelsteinen funkelt –
49Dort an seinem Betpultständer
50Steht schon der Gemeindesänger;
51Schmuckes Männchen, das sein schwarzes
52Mäntelchen kokett geachselt.
53Um die weiße Hand zu zeigen,
54Haspelt er am Halse, seltsam
55An die Schläf' den Zeigefinger,
56An die Kehl' den Daumen drückend.
57Trällert vor sich hin ganz leise,
58Bis er endlich lautaufjubelnd
59Seine Stimm' erhebt und singt:
60»lecho Daudi Likras Kalle!
61Lecho Daudi Likras Kalle –
62Komm, Geliebter, deiner harret
63Schon die Braut, die dir entschleiert
64Ihr verschämtes Angesicht!«
65Dieses hübsche Hochzeitkarmen
66Ist gedichtet von dem großen,
67Hochberühmten Minnesinger
68Don Jehuda ben Halevy.
69In dem Liede wird gefeiert
70Die Vermählung Israels
71Mit der Frau Prinzessin Sabbat,
72Die man nennt die stille Fürstin.
73Perl' und Blume aller Schönheit
74Ist die Fürstin. Schöner war
75Nicht die Königin von Saba,
76Salomonis Busenfreundin,
77Die, ein Blaustrumpf Äthiopiens,
78Durch Esprit brillieren wollte,
79Und mit ihren klugen Rätseln
80Auf die Länge fatigant ward.
81Die Prinzessin Sabbat, welche
82Ja die personifizierte
83Ruhe ist, verabscheut alle
84Geisteskämpfe und Debatten.
85Gleich fatal ist ihr die trampelnd
86Deklamierende Passion,
87Jenes Pathos, das mit flatternd
88Aufgelöstem Haar einherstürmt.
89Sittsam birgt die stille Fürstin
90In der Haube ihre Zöpfe;
91Blickt so sanft wie die Gazelle,
92Blüht so schlank wie eine Addas.
93Sie erlaubt dem Liebsten alles,
94Ausgenommen Tabakrauchen –
95»liebster! Rauchen ist verboten,
96Weil es heute Sabbat ist.
97Dafür aber heute mittag
98Soll dir dampfen, zum Ersatz,
99Ein Gericht, das wahrhaft göttlich –
100Heute sollst du Schalet essen!«
101Schalet, schöner Götterfunken,
102Tochter aus Elysium!
103Also klänge Schillers Hochlied,
104Hätt er Schalet je gekostet.
105Schalet ist die Himmelspeise,
106Die der liebe Herrgott selber
107Einst den Moses kochen lehrte
108Auf dem Berge Sinai,
109Wo der Allerhöchste gleichfalls
110All die guten Glaubenslehren
111Und die heil'gen Zehn Gebote
112Wetterleuchtend offenbarte.
113Schalet ist des wahren Gottes
114Koscheres Ambrosia,
115Wonnebrot des Paradieses,
116Und mit solcher Kost verglichen
117Ist nur eitel Teufelsdreck
118Das Ambrosia der falschen
119Heidengötter Griechenlands,
120Die verkappte Teufel waren.
121Speist der Prinz von solcher Speise,
122Glänzt sein Auge wie verkläret,
123Und er knöpfet auf die Weste,
124Und er spricht mit sel'gem Lächeln:
125»hör ich nicht den Jordan rauschen?
126Sind das nicht die Brüselbrunnen
127In dem Palmental von Beth-El,
128Wo gelagert die Kamele?
129Hör ich nicht die Herdenglöckchen?
130Sind das nicht die fetten Hämmel,
131Die vom Gileathgebirge
132Abendlich der Hirt herabtreibt?«
133Doch der schöne Tage verflittert;
134Wie mit langen Schattenbeinen
135Kommt geschritten der Verwünschung
136Böse Stund' – Es seufzt der Prinz.
137Ist ihm doch, als griffen eiskalt
138Hexenfinger in sein Herze.
139Schon durchrieseln ihn die Schauer
140Hündischer Metamorphose.
141Die Prinzessin reicht dem Prinzen
142Ihre güldne Nardenbüchse.
143Langsam riecht er – Will sich laben
144Noch einmal an Wohlgerüchen.
145Es kredenzet die Prinzessin
146Auch den Abschiedstrunk dem Prinzen –
147Hastig trinkt er, und im Becher
148Bleiben wen'ge Tropfen nur.
149Er besprengt damit den Tisch,
150Nimmt alsdann ein kleines Wachslicht,
151Und er tunkt es in die Nässe,
152Daß es knistert und erlischt.