Heinrich Heine: Michel nach dem März (1849)

1Solang ich den deutschen Michel gekannt,
2War er ein Bärenhäuter;
3Ich dachte im März, er hat sich ermannt
4Und handelt fürder gescheuter.

5Wie stolz erhob er das blonde Haupt
6Vor seinen Landesvätern!
7Wie sprach er – was doch unerlaubt –
8Von hohen Landesverrätern.

9Das klang so süß zu meinem Ohr
10Wie märchenhafte Sagen,
11Ich fühlte, wie ein junger Tor,
12Das Herz mir wieder schlagen.

13Doch als die schwarzrotgoldne Fahn',
14Der altgermanische Plunder,
15Aufs neu' erschien, da schwand mein Wahn
16Und die süßen Märchenwunder.

17Ich kannte die Farben in diesem Panier
18Und ihre Vorbedeutung:
19Von deutscher Freiheit brachten sie mir
20Die schlimmste Hiobszeitung.

21Schon sah ich den Arndt, den Vater Jahn –
22Die Helden aus andern Zeiten
23Aus ihren Gräbern wieder nahn
24Und für den Kaiser streiten.

25Die Burschenschaftler allesamt
26Aus meinen Jünglingsjahren,
27Die für den Kaiser sich entflammt,
28Wenn sie betrunken waren.

29Ich sah das sündenergraute Geschlecht
30Der Diplomaten und Pfaffen,
31Die alten Knappen vom römischen Recht,
32Am Einheitstempel schaffen –

33Derweil der Michel geduldig und gut
34Begann zu schlafen und schnarchen,
35Und wieder erwachte unter der Hut
36Von vierunddreißig Monarchen.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Author

Heinrich Heine (1797-1856)

* 12/13/1797 in Düsseldorf, † 02/17/1856 in Paris

männlich, geb. Heine

- Bleivergiftung

deutscher Dichter und Publizist

(Aus: Wikidata.org)

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