Heinrich Heine: Testament (1852)

1Ich mache jetzt mein Testament,
2Es geht nun bald mit mir zu End'.
3Nur wundre ich mich, daß nicht schon längstens
4Mein Herz gebrochen vor Gram und Ängsten.

5Du aller Frauen Huld und Zier,
6Luise! ich vermache dir
7Zwölf alte Hemde und hundert Flöhe
8Und dreimalhunderttausend Flüche.

9Dem guten Freund, der mit gutem Rat
10Mir immer riet und nie was tat,
11Jetzt, als Vermächtnis, rat ich ihm selber:
12Nimm eine Kuh und zeuge Kälber.

13Wem geb ich meine Religion,
14Den Glauben an Vater, Geist und Sohn?
15Der Kaiser von China, der Rabbi von Posen,
16Sie sollen beide darum losen.

17Den deutschen Freiheits- und Gleichheitstraum,
18Die Seifenblasen vom besten Schaum,
19Vermach ich dem Zensor der Stadt Krähwinkel;
20Nahrhafter freilich ist Pumpernickel.

21Die Taten, die ich noch nicht getan,
22Den ganzen Vaterlandsrettungsplan,
23Nebst einem Rezept gegen Katzenjammer,
24Vermach ich den Helden der badischen Kammer.

25Und eine Schlafmütz', weiß wie Kreid',
26Vermach ich dem Vetter, der zur Zeit
27Für die Heidschnuckenrechte so kühn geredet;
28Jetzt schweigt er wie ein echter Römer.

29Und ich vermache dem Sittenwart
30Und Glaubensvogt zu Stuttegard
31Ein Paar Pistolen (doch nicht geladen),
32Kann seiner Frau damit Furcht einjagen.

33Ein treues Abbild von meinem Steiß,
34Vermach ich der schwäbischen Schule; ich weiß,
35Ihr wolltet mein Gesicht nicht haben,
36Nun könnt ihr am Gegenteil euch laben.

37Zwölf Krüge Seidlitzer Wasser vermach
38Ich dem edlen Dichtergemüt, das, ach!
39Seit Jahren leidet an Sangesverstopfung;
40Ihn tröstete Liebe, Glaube und Hoffnung.

41Und dieses ist ein Kodizill:
42Für den Fall, daß keiner annehmen will
43Die erwähnten Legate, so sollen sie alle
44Der römisch-katholischen Kirche verfallen.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Heinrich Heine (1797-1856)

* 12/13/1797 in Düsseldorf, † 02/17/1856 in Paris

männlich, geb. Heine

- Bleivergiftung

deutscher Dichter und Publizist

(Aus: Wikidata.org)

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