1Kann Dich ein sehnendes Herz, ein weinendes Auge noch rühren,
2Lebt noch mein Bildniß in Dir, ach! so erbarme Dich mein!
3Komm und befreie das Herz, dem Du Dich einst gnädig erzeigtest,
4Komm und erfreue das Aug', das Dich verwundete einst.
5Siehe, der Frühling ist da; es blühet die liebliche Schlehe
6Und in den Wäldern erschallt längst schon der Nachtigall Lied.
7Unsere Maien sind grün – mich labt nicht ihr freundliches Grünen.
8Duftende Veilchen erblüh'n, aber nicht freut mich ihr Duft. –
9Einsam verbirgt sich die Taub' im dunkelen, wilden Gehölze,
10Ruft durch die Stille des Hains, aber es schweiget der Hain.
11Klage, du Arme, mir nur, du findest in mir die Gesellin:
12Einsam und sehnend bist du, einsam und sehnend bin ich.
13Siehe, ich weiß deinen Schmerz: der Liebste, den du dir erkoren,
14Flog in die Ferne dahin, ließ dich Betrübte zurück.
15Ach! auch der Einzige mein, den früh meine Seele erwählet,
16Floh durch die Wolken hinauf, ließ mich Einsame zurück
17Schwester, nun höre den Rath, den heut meine Seele ersonnen:
18Fortan bewohnen nun Zwei liebend und sehnend den Hain,
19Girren und klagen vereint und rufen den süßesten Namen,
20Bis sich der Flügelein Paar stärker den Schultern enthebt.
21Dann, o der Wonne! dann trägt uns über den Mond das Gefieder –
22Dann, o der Wonne! dann wird Liebe mit Liebe vereint.
23Ach, und das freudlose Heut – wir wollen es duldend ertragen,
24Sind wir doch morgen schon Ihm selig dort oben geeint.