Friedrich Schlegel: Das Meisterstück mit Sorgen Titel entspricht 1. Vers(1800)

1Das Meisterstück mit Sorgen
2Wer nur will schauen an,
3Ihm nimmermehr verborgen
4Der Meister bleiben kann.

5Von oben muß uns geben
6Das Licht und golden Schein,
7In stetem Lauf und Leben
8Sonn', Mond und Sterne sein.

9Des Tags bis auf den Abend
10Die Sonn' gar freundlich lacht,
11Zu Nacht der Mond erlabend
12Führt auf die Sternenwacht.

13Wer deutet ihn' die Straßen,
14Wer zeiget ihn' den Weg?
15Daß nie sie unterlassen
16Zu finden ihren Steg?

17In lauter grüner Seiden
18Gar zierlich ausgebreit,
19Das Erdreich sich tut kleiden
20Zur werten Sommerzeit.

21Die Pflänzlein in den Felden
22Sich lieblich schmücken auf,
23Die grüne Zweig in Wälden
24Auch schlagen aus mit Hauf.

25In Gärten merk ich eben
26Die schönen Blümelein,
27Wie freudig sie da schweben,
28Wann Wind nur spielt hinein.

29O fröhlich' Gartenjugend.
30O frisch und zartes Blut!
31An Farben reich und Tugend
32Zu geben Freudenmut.

33Und wie gemalt dann blühet
34Ihr Blümlein tausendfalt,
35Da alles ihr doch ziehet
36Aus schwarzer Erden kalt?

37All' Saft und Kraft und Wesen
38Nehmt ihr von schlechter Erd',
39Und doch wer euch geht lesen
40Nichts Zierlichers begehrt.

41Die Brünnlein sich ergießen
42Und ihre Wasser klar
43Wie Silberstrahlen schießen
44Vom Felsen offenbar.

45Die Sonn' es bald erblicket,
46Drin kühlet ihren Schein,
47Die Tier' es auch erquicket,
48So heiß und durstig sein.

49Frisch hin und her gehn wanken
50Die klaren Bächlein krumm;
51Und mit den Steinlein zanken,
52Wenn sie sich biegen um.

53Allweg sie süßlich sausen
54Zum Sang und Gang gewohnt,
55Das ganze Jahr ohn' Pausen
56Man höret ihren Ton.

57Das wilde Meer nun brauset
58Und wütet ungestüm;
59Nun still es wieder sauset,
60Liegt fest in runder Krümm.

61Gar lieblich tut's bestrahlen
62Die Sonn' mit sanfter Glut,
63Wann sie zu oftermalen
64Sich drein erspiegeln tut.

65Wer will die Bäum' nun zehlen
66In jed' und jedem Wald,
67Sein da doch ohne Fehlen
68So tausend tausendfalt.

69Gar hoch die Gipfel klimmen
70In klare Luft hinauf,
71Und gleich wie Wolken schwimmen,
72Wann stoßt ein Windlein drauf.

73Viel tausend sein der Zweige,
74Der zarten Ästlein viel,
75Und viel an manchem Zweige
76Der Blättlein und der Stiel'.

77Der Äderlein bei neben
78Noch mehr man zählen tut,
79Da nähret sich das Leben
80Und Seel' in grünem Blut.

81Wann dann schallt auf den Zweigen
82Gesang der Vögelein,
83Noch Laut', noch Harf', noch Geigen
84Klingt also süß und rein.

85Ihr lieblich's Musizieren
86Dünkt mich so süß und gut;
87Ihr künstlich's Colorieren
88Bringt lauter Freudenmut.

89Die Nachtigall ob allen
90Steigt immer auf und auf,
91Gar freudig tut's erschallen,
92Wann's geht in vollem Lauf.

93Man sagt, daß etlich' starben,
94Die zu hoch wollten gahn,
95Und mit zu starken Farben
96Ihr Stimmlein streichen an.

97Wer wollt' nun überdenken
98Der vielen Vögel Zahl?
99Die Sonne sich wird senken
100Eh' man sie nennet all'.

101Von Tieren muß ich schweigen,
102Sie lassen ungezählt;
103Will nicht zum Meere steigen,
104Der Fischlein tiefes Feld.

105Elfanten samt Kamelen,
106Roß', Löwen, Hirsch und Bär,
107All' Würm' und alle Seelen
108So sein im wilden Meer.

109Kein Ende da möcht' finden,
110Wer auch die Müh' nicht spart,
111Von Mensch und Menschenkinden
112Die Wunder aller Art.

113O Schönheit der Naturen,
114O Wunder-Lieblichkeit,
115O Zahl der Kreaturen,
116Wie streckest dich so weit.

117Wer wollt' dann je nicht merken
118Des Schöpfers Heiligkeit
119In allen seinen Werken
120Ganz voller Zierlichkeit.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Friedrich Schlegel (1772-1829)

* 03/10/1772 in Hannover, † 01/11/1829 in Dresden

männlich, geb. Q42865417

- Schlaganfall

deutscher Kulturphilosoph, Kritiker, Literaturhistoriker und Übersetzer

(Aus: Wikidata.org)

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