1Ein Löwe, der ein Held in seiner Jugend war,
2Lag nun, im höchsten Stufenjahr,
3Nicht ohne Gicht und ohne Schmerz,
4In seiner Höhle hinterwärts.
5Zwar fühlt' er noch sein großes Herz
6Und seinen Heldenmut;
7Allein, erloschen war der Augen Glut,
8Stumpf seine Klau, schwach sein Gehör;
9Und Zähne hatt' er gar nicht mehr.
10An einen nahen Bach, den letzten Trunk zu thun;
11Spricht:
12Herr Löwe, ja, das wirst du wohl! Der Tod,
13Der dir mit seiner Hippe droht,
14Wie du mit zähnevollem Rachen
15Vasallen drohtest, der wird dir das Ende machen!
16Darum, Herr Löwe, ha! noch einmal trink dich satt!
17Er thuts, er löscht den Durst, nimmt seine Lagerstatt
18Am Bache, kehrt sich um, und seufzet:
19Und als der Unterthanen Schar,
20Die sonst in Furcht gesetzt vor seinem Anblick war,
21Den mächtigen Monarchen da
22Nun still, und ohne Kraft, am Bache liegen sah;
23Da gingen ihrer viel', und forderten ihn aus.
24Ein Schimmel sagte:
25Ging rückwärts auf ihn los,
26Und schmiß ihn mit dem Huf;
27Ein Stier versetzt' ihm einen Stoß,
28Ein Wolf biß ihn!
29Herr König, dein Beruf
30Ist, dich zu wehren; wehre dich!
31Er kann nicht, er bereitet sich
32Zum nahen Tode. Traurig, stumm,
33Sieht er sich um,
34Und hat, im Innersten der Seele,
35Schon Abschied von der Welt genommen,
36So wie von seiner Höhle;
37Schon stirbt er still!
38Ach! aber ach! Zu seiner Qual,
39Sieht er von weiten her den Esel kommen,
40Der endlich auch an ihm zum Ritter werden will;