Johann Wilhelm Ludwig Gleim: 15. Der Rabe und die Pfauen (1761)

1Auf eines Fürsten Hof ging eine Herde Pfauen;
2Ein Aufzug, welchen anzuschauen
3Kein Auge müde ward; denn jeder trug sein Rad,
4Mit Farben, wie sie nur der Regenbogen hat,
5Gebreitet hinter sich, ein wenig stolz darauf!

6Aus den empor gestiegnen Rädern
7Entfielen wunderschöne Federn,
8Und nicht umsonst! Ein Rabe las sie auf
9Und schmückte heimlich sich damit,
10Und ging, mit abgemeßnem Schritt,
11In die Versammlung rechter Pfauen;
12War auch ein wenig stolz, und ließ sich auch beschauen.
13Allein man kannt' ihn allsobald;
14Nahm ihm den fremden Zierrat ab,
15Biß ihn gelinde, gab
16Dem armen Dieb die vorige Gestalt.

17So leicht gestraft, ging er mit großen Freuden wieder
18In die Gesellschaft seiner Brüder.
19In dieser aber kam er noch weit übler an:
20Denn sein Vergehen war den Raben kund gethan.

21Sie stehn umher um ihn, sie lachen, spotten, schrein:
22Herr Pfau! Herr Pfau! Herr Pfau! sie hauen auf ihn ein,
23Und raufen ihm, einmütig, mit Gewalt,
24Die eignen und die fremden Federn aus.
25Der arme Schelm entflieht in eines Dichters Haus,
26Und rettet sich, allein in kläglicher Gestalt!

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803)

* 04/02/1719 in Ermsleben, † 02/18/1803 in Halberstadt

männlich

Dichter der Aufklärungszeit

(Aus: Wikidata.org)

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