Johann Wilhelm Ludwig Gleim: 26. Der Grübler und Apoll (1761)

1Der Grübler Narados, von Vorurteilen frei,
2Behauptete, der Gott zu Delphi sei
3Betrug, Erfindung, Pfafferei!
4Und seinem Griechenland die Fabel zu beweisen,
5Beschloß er, von Athen nach Delphi selbst zu reisen.

6Noch grübelnd kam er an mit einem Sperling; stand,
7In zugeschloßner Hand
8Den Sperling haltend, vor dem Gotte.

9Die stolze Seele voll von überklugem Spotte,
10Dacht er: den Stümper will ich wohl
11In meine Schlinge kriegen!
12Ja wahrlich! spricht Apoll:
13Tot ist der Sperling! dann laß ich den Sperling fliegen;
14Spricht er: Du Thor, er ist lebendig! dann
15Zeig' ich ihn tot! ihr Herrn! so bring' ich eure Lügen,
16Geglaubt von keinem klugen Mann,
17Ans helle Tageslicht; und die Vernunft wird siegen!

18Was ist der Sperling hier in meiner Hand? du Gott!
19Ist er lebendig, oder tot? –
20Tot, oder was du willst, antwortete dem Frager
21Apoll der Wahrheit-Sager;
22Bestraft' ihn aber nicht; ließ ihn
23Nach dem erleuchteten Athen
24In Frieden seine Straße ziehn.

25Wär's heut zu Tage so geschehn,
26In Rom? in Lissabon? in Hamburg? oder Wien?

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803)

* 04/02/1719 in Ermsleben, † 02/18/1803 in Halberstadt

männlich

Dichter der Aufklärungszeit

(Aus: Wikidata.org)

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