Wilhelm Busch: Pater Filucius (1870)

1Höchst erfreulich und belehrend
2Ist es doch für jedermann,
3Wenn er allerlei Geschichten
4Lesen oder hören kann.

5So zum Beispiel die Geschichte
6Von dem Gottlieb Michael,
7Der bis dato sich beholfen
8So lala als Junggesell.

9Zwo bejahrte fromme Tanten
10Lenken seinen Hausbestand;
11Und Petrine und Pauline
12Werden diese zwo benannt.

13Außerdem, muß ich bemerken,
14Ist noch eine Base da,
15Hübsch gestaltet, kluggelehrig,
16Nämlich die Angelika.

17Wo viel zarte Hände walten –
18Na, das ist so wie es ist!
19Kellerschlüssel, Bodenschlüssel
20Führen leicht zu Zank und Zwist.

21Ebenso in Kochgeschichten
22Einigt man sich öfters schwer.
23Gottlieb könnte lange warten,
24Wenn Angelika nicht wär.

25Sie besorgt die Abendsuppe
26Still und sorgsam und geschwind;
27Gottlieb zwickt sie in die Backe:
28»danke sehr, mein gutes Kind!«

29Grimmig schauen itzt die Tanten
30Dieses liebe Mädchen an:
31»ei, was muß man da bemerken?
32Das tut ja wie Frau und Mann!«

33Dennoch und trotz allediesem
34Geht die Wirtschaft doch so so. –
35Aber aber, aber aber
36Jetzt kommt der Filuzio.

37Nämlich dieser Jesuiter
38Merkt schon längst mit Geldbegier
39Auf den Gottlieb sein Vermögen,
40Denkend: »Ach, wo krieg ich dir?«

41Allererst pirscht er sich leise
42Hinter die Angelika,
43Die er Äpfelmus bereitend
44An dem Herde stehen sah.

45Und er spricht mit Vaterstimme:
46»meine Tochter, Gott zum Gruß!«
47Schlapp! da hat er im Gesichte
48Einen Schleef voll Appelmus.

49Dieses plötzliche Ereignis
50Tut ihm in der Seele leid. –
51Ach, man will auch hier schon wieder
52Nicht so wie die Geistlichkeit!! –

53Doch die gute Tante Trine
54Sehnt sich ja so lange schon
55Nach dem Troste einer frommen,
56Klerikalen Mannsperson. –

57Da ist eher was zu machen. –
58Luzi macht sich lieb und wert,
59Weil er ihr als Angebinde
60Schrupp, den kleinen Hund, beschert.

61Schrupp ist wirklich auch possierlich.
62Er gehorchet auf das Wort,
63Holt herbei, was ihm befohlen,
64Wenn es heißet: »Schrupp, apport!«

65Heißt es: »Liebes Schrupperl, singe!«
66Fängt er schön zu singen an;

67Spielt man etwas auf der Flöte,
68Hupft er, was er hupfen kann.

69Wenn es heißet: »Wo ist 's Ketzerl?«
70Wird er wie ein Borstentier;
71Und vor seinem Knurren eilet
72Tante Line aus der Tür.
73Spricht man aber diese Worte:
74»schrupp, was tun die schönen Herrn?«
75Gleich küßt er die Tante Trine,

76Und sie lacht und hat es gern.

77Eines nur erzeugt Bedenken.
78Schrupp entwickelt letzterzeit
79Mit dem Hinterfuße eine
80Merkliche Geschäftigkeit.

81Mancher hat in diesen Dingen
82Eine glückliche Natur.
83Tante Trine, zum Exempel,
84Fühlt von allem keine Spur,

85Wohingegen Tante Line
86Keine rechte Ruh genießt,

87Wenn sie abends, wie gewöhnlich,
88In der Hauspostille liest.

89Und auch Gottlieb muß verspüren,
90Ganz besonders in der Nacht,

91Daß es hier

92und da

93und dorten
94Immer kribbelkrabbel macht.

95Prickeln ist zwar auch zuwider,
96Doch zumeist die Jagderei;
97Und mit Recht soll man bedenken,
98Wie dies zu verhindern sei.

99Mancher liebt das Exmittieren;
100Und die Sache geht ja auch.
101Aber sicher und am besten –
102Knacks! – ist doch der alte Brauch.

103Freilich ist hier gar kein Ende.
104Man gelanget nicht zum Ziel.
105Jeder ruft: »Wie ist es möglich?«
106Bis man auf den Schrupp verfiel.

107Zwar die Tante und Filuzi
108Rufen beide tief gekränkt:
109»engelrein ist sein Gefieder!« –
110Aber Schrupp wird eingezwängt.

111In ein Faß voll Tobakslauge
112Tunkt man ihn mit Haut und Haar,

113Ob er gleich sich heftig sträubte
114Und durchaus dagegen war.

115Drauf so wird in einem Stalle
116Er mit Vorsicht interniert,
117Bis, was man zu tadeln findet,
118So allmählich sich verliert.

119Anderseits bemerkt man dieses
120Unter großem Herzeleid.
121Ach, man will auch hier schon wieder
122Nicht so wie die Geistlichkeit!!
123Jetzt wär alles gut gewesen,
124Wäre Schrupp kein Bösewicht. –
125Er gewöhnt sich an das Kauen,
126Und das läßt und läßt er nicht.

127Hat er Gottlieb seine Stiefel
128Nicht zur Hälfte aufgezehrt?

129Tante Linens Hauspostille,
130Hat er die nicht auch zerstört?

131Zwar die Tante und Filuzi
132Blicken mitleidsvoll empor:
133»armes gutes Schruppuppupperl!
134Immer haben sie was vor!!«

135Ja, es ließe sich ertragen,
136Täte Schrupp nur dieses bloß;
137Würde Schrupp nicht augenscheinlich
138Scham- und ruch- und rücksichtslos.

139Und so muß er denn empfinden,
140Daß zuletzt die böse Tat
141Für den Übeltäter selber
142Unbequeme Folgen hat.

143Anderseits bemerkt man dieses
144Nur mit tiefem Herzeleid.
145Ach, man will auch hier schon wieder
146Nicht so wie die Geistlichkeit!

147Leichter schmiegt sich Seel an Seele
148In der schmerzensreichen Stund,
149Und man schwört in der Bergère
150Sich den ew'gen Freundschaftsbund.

151Aber wie sie da so sitzen,
152Öffnet plötzlich sich die Tür.
153Gottlieb ruft mit rauher Stimme:
154»ei ei ei, was macht man hier?«

155Freilich hüllen sich die beiden
156Schnell in fromme Lieder ein;
157Doch nur kurze Zeit erschallen
158Diese schönen Melodein.

159Ach, die weltlichen Gewalten! –
160Durch des Armes Muskelkraft
161Wird der fromme Pater Luzi
162Wirbelartig fortgeschafft.

163Dieses plötzliche Ereignis
164Tut ihm in der Seele leid.
165Ach, man will auch hier schon wieder
166Nicht so wie die Geistlichkeit!!

167Schlimm ist's Schrupp dabei ergangen,
168Weil er sich hineingemengt;
169Mit dem Fuße unvermutet
170Fühlt er sich zurückgedrängt.

171Pater Luzi aber schleichet
172Heimlich lauschend um das Haus.
173Ein pechschwarzes Ei der Rache
174Brütet seine Seele aus.

175Gottlieb seine Abendsuppe
176Stehet am gewohnten Ort. –
177Husch! da steigt wer durch das Fenster;
178Husch! jetzt ist er wieder fort.

179Gottlieb, der im Nebenzimmer
180Eben seine Hände wusch,
181Sieht's zum Glück und daß der Täter
182Lauschend sitzt im Fliederbusch.

183Jetzt hebt Gottlieb, friedlich lächelnd,
184Von dem Tisch den Suppentopf.

185Bratsch! – Die Brühe samt der Schale
186Kommt Filuzi auf den Kopf.

187Diese eklige Geschichte
188Tut ihm in der Seele leid.
189Ach, man will auch hier schon wieder
190Nicht so wie die Geistlichkeit!

191Schrupp, der nur ein wenig leckte,
192Zieht es alle Glieder krumm;
193Denn ein namenloser Jammer
194Wühlt in seinem Leib herum.

195Pater Luzi, finster blickend,
196Heimlich schleichend um das Haus,
197Wählt zu neuem Rachezwecke
198Zwo verwogne Lumpen aus. –

199Einer heißt der Inter-Nazi
200Und der zweite Jean Lecaq,
201Alle beide wohl zu brauchen,
202Denn es mangelt Geld im Sack.

203Eben wandelt in der stillen
204Abendkühle der Natur
205Base Gelika im Garten –
206Horch! Da tönt der Racheschwur!

207Tieferschrocken, angstbeflügelt
208Eilet sie ins Haus geschwind.
209Gottlieb küßt sie auf die Backe:
210»danke sehr, mein gutes Kind!«

211Schleunig sucht er seine Freunde,
212Glücklich trifft er sie zu Haus.
213Wächter Hiebel ist der erste,
214Freudig ruft er: »Sabel raus!«

215Meister Fibel, als der zweite,
216Vielerprobt im Amt der Lehr,
217Greift in die bekannte Ecke
218Mit den Worten: »Knüppel her!«

219Bullerstiebel ist der dritte. –
220Kaum vernimmt er so und so,
221Faßt er auch schon nach der Gabel
222Mit dem Rufe: »Nu man to!«

223Nun hat Schrupp, dieweil er leidend,
224Sich in Gottliebs Bett gelegt,
225Wie er, wenn man nicht zugegen,
226Auch wohl sonst zu tuen pflegt.

227Zwölfe dröhnt es auf dem Turme. –
228Leise macht man: Pistpistpist!
229Drei Gestalten huschen näher
230An das Bett voll Hinterlist.

231Weh, jetzt trifft der Dolch, der spitze,
232Und der Knüppel, dick und rauh,
233Und die Taschenmitraljöse –
234Aber Schrupp macht: »Auwauwau!«

235In demselbigten Momente
236Donnert es von hinten: »Drauf!!«
237Und ein blasser Todesschrecken
238Hindert jeden Weiterlauf.

239Pater Luzi ganz besonders
240Macht sich ahnungsvoll bereit.
241Ach, man will auch hier schon wieder
242Nicht so wie die Geistlichkeit!!

243Hei! Wie Fibels Waffe sauset!

244Heißa! Wie der Sabel blitzt! –

245Zwiefach ist der Stich der Gabel,
246Weil sie zwiefach zugespitzt. –

247Motten fliegen, Haare sausen;
248Das gibt Leben in das Haus.

249Hulterpulter! Durch das Fenster
250Springt man in die Nacht hinaus.

251Klacks! da stecken sie im Drecke.
252Ängstlich zappelt noch der Fuß. –
253Eine Stimme hört man klagen:
254»oh, Filu – Filucius!!« –

255»kinder, das hat gut gegangen!«
256Rufet Gottlieb hocherfreut;
257»wein herbei! Denn zu vermelden
258Hab ich eine Neuigkeit.

259Länger will ich nicht mehr hausen
260Wie seither als Junggesell.
261Hier Angelika, die gute,
262Werde Madam Michael.«

263Drauf ergreift das Wort Herr Fibel,
264Und er spricht: »Eiei! Sieh da!
265Ich erlaube mir zu singen:
266Vivat Hoch! Halleluja!!!«

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Author

Wilhelm Busch (1832-1908)

* 04/15/1832 in Wiedensahl, † 01/09/1908 in Mechtshausen

männlich, geb. Busch

deutscher Verfasser von satirischen in Verse gefassten Bildergeschichten (1832-1908)

(Aus: Wikidata.org)

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