Ludwig Achim von Arnim: Der Tod und das Mädchen im Blumengarten (1806)

1Es ging ein Mägdlein zarte
2Früh in der Morgenstund
3In einen Blumengarten,
4Frisch, fröhlich und gesund,
5Der Blümlein es viel brechen wollt,
6Daraus ein Kranz zu machen,
7Von Silber und von Gold.

8Da kam herzu geschlichen
9Ein gar erschrecklich Mann,
10Die Farb war ihm verblichen,
11Kein' Kleider hatt' er an,
12Er hatt' kein Fleisch, kein Blut, kein Haar,
13Es war an ihm verdorret
14Sein Haut, und Flechsen gar.

15Gar häßlich thät er sehen,
16Scheußlich war sein Gesicht,
17Er weiset seine Zähne
18Und that noch einen Schritt,
19Wohl zu dem Mägdlein zart,
20Das schier für großen Aengsten,
21Des grimmen Todes ward.

22»nun schick dich Mägdlein, schick dich,
23Du must mit mir an Tanz!
24Ich will dir bald aufsetzen,
25Ein wunderschönen Kranz,
26Der wird dir nicht gebunden sein
27Von wohlriechenden Kräutern,
28Und zarten Blümelein.

29Der Kranz, den ich aufsetze,
30Der heißt die Sterblichkeit;
31Du wirst nicht seyn die letzte,
32Die ihn trägt auf dem Haupt;
33Wie viel allhie gebohren seyn,
34Die müssen mit mir tanzen
35Wohl um das Kränzelein.

36Der Würmer in der Erde
37Ist eine große Zahl,
38Die werden dir verzehren
39Dein Schönheit allzumahl,
40Sie werden deine Blümlein seyn,
41Das Gold, und auch die Perlen,
42Silber und Edelstein.

43Willst du mich gerne kennen
44Und wissen, wer ich sey?
45So hör mein Nahmen nennen,
46Will dir ihn sagen frey:
47Der grimme Tod werd ich genannt,
48Und bin in allen Landen,
49Gar weit und breit bekannt.

50Die Sense ist mein Wappen,
51Das ich mit Rechte führ,
52Damit thu ich anklopfen
53Jedem an seine Thür,
54Und wenn sein Zeit ist kommen schon,
55Spät, früh, und in der Mitten,
56's hilft nichts, er muß davon!«

57Das Mägdlein voller Schmerzen,
58Voll bittrer Angst und Noth,
59Bekümmert tief im Herzen,
60Bat: »Ach du lieber Todt,
61Wollst eilen nicht so sehr mit mir,
62Mich armes Mägdlein zarte
63Laß länger leben hier!

64Ich will dich reich begaben,
65Mein Vater hat viel Gold,
66Und was du nur willst haben
67Das all du nehmen sollt!
68Nur lasse du, das Leben mir,
69Mein allerbeste Schätze,
70Die will ich geben dir!«

71»kein Schatz sollt du mir geben,
72Kein Gold noch Edelstein!
73Ich nehm dir nur das Leben,
74Du zartes Mägdelein,
75Du must mit mir an meinen Tanz,
76Daran noch kommt manch Tausend,
77Bis daß der Reihn wird ganz.«

78»o Tod, laß mich beim Leben,
79Nimm all mein Hausgesind!
80Mein Vater wird dirs geben,
81Wenn er mich lebend findt,
82Ich bin sein einzigs Töchterlein,
83Er würde mich nicht geben
84Um tausend Gulden fein.«

85»dein Vater will ich holen
86Und will ihn finden wohl,
87Mit seinem Hausgesinde,
88Weiß, wenn ich kommen soll,
89Jetzund nehm ich nur dich allein:
90O zartes Mägdlein junge,
91Du must an meinen Reihen.«

92»erbarm dich meiner Jugend,«
93Sprach sie mit großer Klag,
94»will mich in aller Tugend,
95Ueben mein Lebetag.
96Nimm mich nicht gleich dahin jetzund,
97Spar mich noch eine Weile,
98Schon mich noch etlich' Stund!«

99Drauf sprach der Tod: »Mit nichten,
100Ich kehr mich nicht daran,
101Es hilft allhier kein Bitten,
102Ich nehme Frau und Mann!
103Die Kinderlein zieh ich herfür,
104Ein jedes muß mir folgen,
105Wenn ich klopf an die Thür.«

106Er nahm sie in der Mitten,
107Da sie am schwächsten was,
108Es half bey ihm kein Bitten,
109Er warf sie in das Graß,
110Und rührte an ihr junges Herz
111Da liegt das Mägdlein zarte,
112Voll bittrer Angst und Schmerz.

113Ihr Farb that sie verwandlen,
114Ihr Aeuglein sie verkehrt
115Von einer Seit zur andern
116Warf sie sich auf der Erd,
117All Wollust ihr vergangen war,
118Kein Blümlein mehr wollt holen
119Wohl aus dem grünen Graß.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Ludwig Achim von Arnim (1781-1831)

* 01/26/1781 in Berlin, † 01/21/1831 in Wiepersdorf

männlich, geb. Arnim

deutscher Schriftsteller und wichtiger Vertreter der Heidelberger Romantik

(Aus: Wikidata.org)

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