Ludwig Achim von Arnim: Das Leiden des Herren (1806)

1Christus, der Herr im Garten ging,
2Sein bittres Leiden bald anfing,
3Da trauert Laub und grünes Gras,
4Weil Judas seiner bald vergas.

5Sehr fälschlich er ihn hinterging,
6Ein schnödes Geld dafür empfing,
7Verkaufte seinen Gott und Herrn,
8Das sahen die Juden herzlich gern.

9Sie gingen in den Garten hin,
10Mit zornigem und bösem Sinn,
11Mit Spieß und Stangen die lose Rott,
12Gefangen nahmen unsern Gott.

13Sie führten ihn ins Richters Haus,
14Mit scharfen Striemen wieder raus,
15Gegeiselt und mit Dorn gekrönt,
16Ach Jesu! wurdest du verhöhnt.

17Ein scharfes Urtheil sprachen sie,
18Indem der ganze Haufe schrie:
19»nur weg, nur weg, nach Golgatha,
20Und schlagt ihn an das Kreuze da.«

21Er trägt das Kreuz, er trägt die Welt,
22Er ist dazu von Gott bestellt,
23Er trägt es mit gelaßnem Muth,
24Es strömet von ihm Schweis und Blut.

25Erschöpfet will er ruhen aus,
26Vor eines reichen Juden Haus,
27Der Jude stieß ihn spottend weg,
28Er blickt ihn an, geht seinen Weg.

29Herr Jesus schwieg, doch Gott der bannt
30Den Juden, daß er zieht durchs Land,
31Und kann nicht sterben nimmermehr,
32Und wandert immer hin und her.

33Ans Kreuz sie hingen Jesum bald,
34Maria ward das Herze kalt:
35»o weh, o weh! mein liebstes Herz,
36Ich sterb zugleich von gleichem Schmerz.«

37Maria unterm Kreuze stund,
38Sie war betrübt von Herzens-Grund,
39Von Herzen war sie sehr betrübt
40Um Jesum, den sie herzlich liebt.

41»johannes, liebster Jünger mein,
42Laß dir mein' Mutter befohlen seyn,
43Nimm sie zur Hand, führ sie von dann,
44Daß sie nicht schau mein Marter an.«

45»ja, Herr, das will ich gerne thun,
46Ich will sie führen allzuschön,
47Ich will sie trösten wohl und gut,
48Wie ein Kind seiner Mutter thut.«

49Da kam ein Jud und Höllenbrand,
50Ein Speer führt er in seiner Hand,
51Gab damit Jesu einen Stoß,
52Daß Blut und Wasser daraus floß.

53Nun bück dich Baum, nun bück dich Ast,
54Jesus hat weder Ruh noch Rast;
55Ach traure Laub und grünes Gras,
56Laßt euch zu Herzen gehen das!

57Die hohen Berge neigten sich,
58Die starken Felsen rissen sich,
59Die Sonn verlor auch ihren Schein,
60Die Vöglein ließen ihr Rufen und Schreyn.

61Die Wolken schrien Weh und Ach!
62Die Felsen gaben einen Krach,
63Den Todten öffnete sich die Thür,
64Und gingen aus den Gräbern für.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Ludwig Achim von Arnim (1781-1831)

* 01/26/1781 in Berlin, † 01/21/1831 in Wiepersdorf

männlich, geb. Arnim

deutscher Schriftsteller und wichtiger Vertreter der Heidelberger Romantik

(Aus: Wikidata.org)

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