Friedrich von Matthisson: Elysium (1787)

1Hain! der von der Götter Frieden,
2Wie von Thau die Rose, träuft,
3Wo die Frucht der Hesperiden
4Zwischen Silberblüten reift;
5Den ein rosenfarbner Aether
6Ewig unbewölkt umfleußt,
7Der den Klageton verschmähter
8Zärtlichkeit verstummen heißt:

9Freudigschauernd in der Fülle
10Hoher Götterseligkeit,
11Grüßt, entflohn der Erdenhülle,
12Psyche deine Dunkelheit,
13Wonne! wo kein Nebelschleyer
14Ihres Urstoffs Reine trübt,
15Wo sie geistiger und freyer
16Den entbundnen Fittig übt.

17Ha! schon eilt auf Rosenwegen,
18In verklärter Lichtgestalt,
19Sie dem Schattenthal entgegen,
20Wo die heil'ge Lethe wallt;
21Fühlt sich magisch hingezogen,
22Wie von leiser Geisterhand,
23Schaut entzückt die Silberwogen
24Und des Ufers Blumenrand;

25Kniet voll süsser Ahndung nieder,
26Schöpfet, und ihr zitternd Bild
27Leuchtet aus dem Strome wieder,
28Der der Menschheit Jammer stillt,
29Wie auf sanfter Meeresfläche
30Die entwölkte Luna schwimmt,
31Oder im Kristall der Bäche
32Hespers goldne Fackel glimmt.

33Psyche trinkt, und nicht vergebens!
34Plötzlich in der Fluthen Grab
35Sinkt das Nachtstück ihres Lebens
36Wie ein Traumgesicht hinab.
37Glänzender, auf kühnern Flügeln,
38Schwebt sie aus des Thales Nacht
39Zu den goldbeblümten Hügeln,
40Wo ein ew'ger Frühling lacht.

41Welch ein feyerliches Schweigen!
42Leise nur, wie Zephyrs Hauch,
43Säuselt's in den Lorbeerzweigen,
44Bebt's im Amaranthenstrauch!
45So in heil'ger Stille ruhten
46Luft und Wogen, also schwieg
47Die Natur, da aus den Fluthen
48Anadyomene stieg.

49Welch ein ungewohnter Schimmer!
50Erde! dieses Zauberlicht
51Flammte selbst im Lenze nimmer
52Von Aurorens Angesicht!
53Sieh! des glatten Epheus Ranken
54Tauchen sich in Purpurglanz!
55Blumen, die den Quell umwanken,
56Funkeln wie ein Sternenkranz!

57So begann's im Hain zu tagen,
58Als die keusche Cynthia,
59Hoch vom stolzen Drachenwagen,
60Den geliebten Schläfer sah;
61Als die Fluren sich verschönten,
62Und, mit holdem Zauberton,
63Göttermelodieen tönten:
64Seliger Endymion!

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Friedrich von Matthisson (1761-1831)

* 01/23/1761 in Hohendodeleben, † 03/12/1831 in Wörlitz

männlich

deutscher Lyriker und Prosaschriftsteller

(Aus: Wikidata.org)

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