1Einsam stand ich und sah in die afrikanischen dürren
2Ebnen hinaus; vom Olymp regnete Feuer herab.
3Fernhin schlich das hagre Gebirg, wie ein wandelnd
4Gerippe,
5Hohl und einsam und kahl blickt' aus der Höhe
6sein Haupt.
7Ach! nicht sprang, mit erfrischendem Grün, der
8schattende Wald hier
9In die säuselnde Luft üppig und herrlich empor,
10Bäche stürzten hier nicht in melodischem Fall vom
11Gebirge,
12Durch das blühende Thal schlingend den silbernen
13Strom,
14Keiner Heerde verging am plätschernden Brunnen
15der Mittag,
16Freundlich aus Bäumen hervor blickte kein wirth-
17liches Dach.
18Unter dem Strauche saß ein ernster Vogel ge-
19sanglos,
20Aengstig und eilend flohn wandernde Störche
21vorbei.
22Nicht um Wasser rief ich dich an, Natur, in der
23Wüste,
24Wassers bewahrte mir traulich das fromme Kamel,
25Um der Haine Gesang, um Gestalten und Farben
26des Lebens
27Bat ich, vom lieblichen Glanz heimischer Fluren
28verwöhnt.
29Aber ich bat umsonst; du erschienst mir feurig und
30herrlich,
31Aber ich hatte dich einst göttlicher, schöner gesehn.
32Auch den Eispol hab' ich besucht; wie ein starren-
33des Chaos
34Thürmte das Meer sich da schrecklich zum Him-
35mel empor.
36Todt in der Hülle von Schnee schlief hier das
37gefesselte Leben,
38Und der eiserne Schlaf harrte des Tages umsonst.
39Ach! nicht schlang um die Erde den wärmenden
40Arm der Olymp hier,
41Wie Pygmalions Arm um die Geliebte sich schlang.
42Hier bewegt' er ihr nicht mit dem Sonnenblicke
43den Busen,
44Und in Regen und Thau sprach er nicht freundlich
45zu ihr.
46Mutter Erde! rief ich, du bist zur Wittwe ge-
47worden,
48Dürftig und kinderlos lebst du in langsamer Zeit.
49Nichts zu erzeugen und nichts zu pflegen in sor-
50gender Liebe,
51Alternd im Kinde sich nicht wiederzusehn, ist
52der Tod.
53Aber vielleicht erwarmst du dereinst am Strale des
54Himmels,
55Aus dem dürftigen Schlaf schmeichelt sein Odem
56dich auf;
57Und, wie ein Samenkorn, durchbrichst du die
58eherne Hülse,
59Und die knospende Welt windet sich schüchtern
60heraus.
61Deine gesparte Kraft flammt auf in üppigem
62Frühling,
63Rosen glühen und Wein sprudelt im kärglichen
64Nord.
65Aber jetzt kehr' ich zurück an den Rhein, in die
66glückliche Heimath,
67Und es wehen, wie einst, zärtliche Lüfte mich an.
68Und das strebende Herz besänftigen mir die ver-
69trauten
70Friedlichen Bäume, die einst mich in den Armen
71gewiegt,
72Und das heilige Grün, der Zeuge des ewigen,
73schönen
74Lebens der Welt, es erfrischt, wandelt zum
75Jüngling mich um.
76Alt bin ich geworden indeß, mich bleichte der
77Eispol,
78Und im Feuer des Süds fielen die Locken mir
79aus.
80Doch wie Aurora den Tithon, umfängst du in lächeln-
81der Blüthe
82Warm und fröhlich, wie einst, Vaterlandserde,
83den Sohn.
84Seliges Land! kein Hügel in dir wächst ohne den
85Weinstock,
86Nieder ins schwellende Gras regnet im Herbste
87das Obst.
88Fröhlich baden im Strome den Fuß die glühenden
89Berge,
90Kränze von Zweigen und Moos kühlen ihr son-
91niges Haupt.
92Und, wie die Kinder hinauf zur Schulter des
93herrlichen Ahnherrn,
94Steigen am dunkeln Gebirg Vesten und Hütten
95hinauf.
96Friedsam geht aus dem Walde der Hirsch an's
97freundliche Tagslicht;
98Hoch in heiterer Luft siehet der Falke sich um.
99Aber unten im Thal, wo die Blume sich nährt
100von der Quelle,
101Streckt das Dörfchen vergnügt über die Wiese
102sich aus.
103Still ists hier; kaum rauscht von fern die geschäf-
104tige Mühle,
105Und vom Berge herab knarrt das gefesselte Rad.
106Lieblich tönt die gehämmerte Senf' und die Stimme
107des Landmanns,
108Der am Pfluge dem Stier, lenkend, die Schritte
109gebeut,
110Lieblich der Mutter Gesang, die im Grase sitzt
111mit dem Söhnlein,
112Das die Sonne des Mais schmeichelt in lächeln-
113den Schlaf.
114Aber drüben am See, wo die Ulme das alternde
115Hofthor
116Uebergrünt und den Zaun wilder Holunder um-
117blüht,
118Da umfängt mich das Haus und des Gartens
119heimliches Dunkel,
120Wo mit den Pflanzen mich einst liebend mein
121Vater erzog,
122Wo ich froh, wie das Eichhorn, spielt' auf den
123lispelnden Aesten,
124Oder in's duftende Heu träumend die Stirne
125verbarg.
126Heimathliche Natur! wie bist du treu mir ge-
127blieben!
128Zärtlichpflegend, wie einst, nimmst du den Flücht-
129ling noch auf.
130Noch gedeihn die Pfirsiche mir, noch wachsen gefällig
131Mir an's Fenster, wie sonst, köstliche Trauben
132herauf.
133Lockend röthen sich noch die süßen Früchte des
134Kirschbaums,
135Und der pflückenden Hand reichen die Zweige
136sich selbst.
137Schmeichelnd zieht mich, wie sonst, in des Walds
138unendliche Laube
139Aus dem Garten der Pfad, oder hinab an den
140Bach,
141Und die Pfade röthest du mir, es wärmt mich und
142spielt mir
143Um das Auge, wie sonst, Vaterlandssonne!
144dein Licht;
145Feuer trink' ich und Geist aus deinem freudigen
146Kelche,
147Schläfrig lässest du nicht werden mein alterndes
148Haupt.
149Die du einst mir die Brust erwecktest vom Schlafe
150der Kindheit,
151Und mit sanfter Gewalt höher und weiter mich
152triebst,
153Mildere Sonne! zu dir kehr' ich getreuer und weiser,
154Friedlich zu werden, und froh unter den Blumen
155zu ruhn.