1Wie eines Mörders Seele, so schwarz und bang war die Nacht,
2Da ward die Klosterpforte zu Spanheim aufgemacht,
3Ein Mann, verhüllt im Mantel, trat schweigend über die Schwelle,
4Schritt durch den Kreuzgang und pochte dann an des Abtes Zelle.
5Wo immer sich Herr Trittheim,
6Da blieb in scheuer Demut baarhäuptig der Laie stehn,
7In stummer Ehrfurcht neigten die ersten Doctoren sich,
8Und unter mancher Kutte pocht' es ganz sichtbarlich.
9Bei mitternächt'ger Lampe saß nun der heil'ge Mann
10Und las in Büchern der Weisen und betet', schrieb und sann;
11Da trat herein der Fremde, fast Jüngling an Gestalt,
12Doch schier ein Greis an Kummer, und so sprach er alsbald:
13»ehrwürd'ger Herr! ein König steht flehend nun vor euch,
14An Ehr' und Land vor Kurzem, so wie an Liebe reich,
15Doch nun, Vasall auf ewig!
16Schwer ruht auf Haupt und Schultern mir des Tyrannen Hand.
17Entflohn, ach, ist die Liebe! die Krone nur blieb mein
18Und bohrt die spitzen Zacken mir nun ins Herz hinein!
19O Vater! ruft sie hernieder, ruft sie, die ich verlor,
20Ihr wallt als Freund und Bekannter ja durch der Geister Chor.«
21Da glänzt des Priesters Auge, wie Lieb' und Ernst gepaart,
22Auf den Talar hin rollet in Fülle sein schwarzer Bart,
23Auf steht er nun voll Würde, ergreift des Gastes Hand
24Und blickt ihm sanft ins Auge und hat ihn wohl erkannt.
25Durch stille Klostergänge, wo Echo nur noch wacht,
26Schritt mit dem Abt der Fremde hinaus in schwarze Nacht,
27Wie 'n Pilger, der sich verirrte in weiter Fürstengruft,
28Graun schließt sein Aug', die Fackel erlosch im Leichenduft. –
29In schwarzes Bahrtuch hüllten die Berge den Riesenleib,
30Der Nordwind ächzt und wimmert, wie 'n altes Leichenweib,
31Es rauschen Blätter und Wellen, doch
32Manch flücht'ger Hirsch prallt blutend vom Stamm der Eiche zurück.
33Jetzt standen still die Beiden. Der Abt kniet betend nieder,
34Urplötzlich flammt's am Himmel, und rasch verglüht ist's wieder,
35Doch auf dem schwarzen Grunde der sternelosen Nacht
36Erglänzen licht
37»sieh hin, mein Fürst, und wähle! Vernichtung und Schöpferkraft,
38Das Grab, so wie das Leben, trägt solch ein goldner Schaft;
39Mit diesem bewegt der Weise den ganzen Erdenwall,
40Mit jenem schlagen Thoren ihr Volk als Federball.
41Als schlichter
42Fast spitz wie 'n Dolch ist der andre, Blutstropfen seine Rubine,
43Die hellen Diamanten versteinerte Thränen nur,
44Und eingedrückt dem Griffe der Wüthrichskrallen Spur.
45In jenem Garten, wo reifend der Zeiten Saaten wehn,
46Wird dieser als dürrer Baumstamm, wohl gar als Schandpfahl stehn,
47Doch jener als Palme grünen, verschont von Mittagsgluth,
48Mit blätterreicher Krone, worunter sanft sich's ruht.«
49So sprach der strenge Priester. Die Zepter sind verschwunden!
50Und wieder, doch nicht lange, hält Nacht das Aug' umwunden;
51Denn plötzlich flammend steiget ein
52Ein lächelnd Antlitz neiget hervor sich aus seinem Schooß. –
53»sieh, thränenlos und selig glänzt der Verklärten Blick,
54Denn Schmerz und Thränen ließ sie ja in der Gruft zurück,
55Doch lächelnd blickt von oben ihr selig Aug' auf den Stein.
56Dich ruft ein kräftig Wirken, That heißt des Herrschers Lauf!
57Aus Thaten bau' ihr Denkmal! ans Werk nun, rüstig, auf!
58Denn darf ein Blick voll Thränen sich auf zur Sonne wagen?
59Kann eine Hand, die zittert, wohl einen Zepter tragen?
60Die Zähren euch zu trocknen, zum Handeln euch zu stärken,
61Die Gluth in euch zu zünden zu menschlich edlen Werken,
62Das sind die Zauberkräfte, die Gott uns Priestern verliehn.
63Sei stark, mein Fürst, sei weise, und zieh' gesegnet hin!«
64So sprach voll Ernst der Abbas; der Fürst erfaßt sein Wort,
65Drückt ihm die Hand und eilet durch Nacht und Nebel fort.
66Er
67Er
68Es weinen alle Blumen, wenn Morgenroth erglänzt,
69Es springen alle Quellen, wenn Lenz ihr Ufer kränzt,
70Und immer wenn man Maxen Mariens Namen genannt,
71Barg er sein Aug' und die Thräne, die glänzend drinnen stand.