1In einem dicken Wald, wo Wind und Hunger heulten,
2War zweener Wölfe Sitz, die sich in mancher Nacht
3Nichts im Gebiß, als Raubsucht, heimgebracht,
4Die sie recht brüderlich, und ohne Mißgunst theilten.
5Allein, sie hatten sich verirrt,
6Und zu der Beute nicht den rechten Weg genommen.
7Bald aber sehen sie die schönsten Schafe kommen;
8Doch kommen auch zugleich der Hylax und der Hirt.
9Wo die Gewalt unbrauchbar ist,
10Bedient sich auch ein Wolf der List.
11Sie halten Kriegesrath. Lycaons Enkel spricht:
12Ein rechter Angriff hilft hier nicht.
13Ich will mich hinter jenen Hecken,
14Im Graben, tief genug verstecken,
15Dann mußt du, fern von mir, der Heerde Furcht erwecken.
16Trab auf sie zu, und laß dich sehn:
17Der Schäfer wird dich bald entdecken,
18Und mit dem Hunde dir gewiß entgegen gehn.
19Da werd' ich schnell den Raub vollstrecken;
20Die Kunst der Flucht mußt du verstehn.
21Der andre Wolf bejaht's, gestand, daß sein Gefährte
22Sich, als ein alter Wolf, erklärte,
23Und hieß den Anschlag wunderschön.
24Sie trennen sich, und dieser naht hinan.
25Man sieht ihn; Hylax bellt! den Erbfeind zu erwischen,
26Sucht ihn der Schäfer oft im Wettlauf anzufrischen.
27Ihm setzen beide nach: doch kömmt ihm keiner an,
28Und jener schleicht aus den Gebüschen,
29Und stiehlt das beste Schaf, das man nur stehlen kann.
30So wird man oftmals der Gefahr,
31Wo sie am größten ist, am wenigsten gewahr.