1Streck deine Beine, mein hübscher Genoß;
2Deine schwarzen Strümpfe aus Fil d'Ecosse
3Reichen dir weit bis über die Kniee,
4Wenn ich sie dir nicht noch höher ziehe. –
5Sie sind das Verfänglichste wohl an dir,
6Deine schwarzen Strümpfe; ich sterbe dafür.
7Hell schimmert die Haut durch die weiten Maschen,
8Man möchte von außen schon daran naschen.
9Dabei legst du deine Füße so friedlich
10Übereinander, die blanken Lackschuhe appetitlich
11Gestreckt – die Seligkeit, sie dir zu binden,
12Kann im Himmel nicht ihresgleichen finden.
13Dein schwarzer Lockenkopf, deine blassen Wangen,
14Dein splitternackter Mund, deine bangen
15Tiefschwarzen Augen sind eine Pracht,
16Doch haben nicht sie mich verrückt gemacht.
17Deine Unwiderstehlichkeit liegt in den Beinen.
18Seh ich dich kommen, so möcht ich weinen.
19Du hebst die Knie in einem Takt,
20Der würgend mich an der Kehle packt.
21Ich will dir zum ewigen Angedenken
22Ein Paar Strumpfbänder in zartem Lila schenken
23Mit goldenem Wappen, denn du bist in der Tat
24Ein Mädchen und ein junger Aristokrat.
25Ein Knabe, der in seiner Anmut nicht leidet,
26Wenn er sich zuweilen als Mädchen verkleidet;
27Aber deine Mutter sagt mir, du seist
28Durchdrungen von ritterlichem Geist.
29Du bestehest mit Glanz die schwierigsten Examen
30Und schwärmest auch schon für die allerreizendsten Damen.
31Niemand glaubt mir in dieser Welt,
32Wie mir das an dir, meinem Schützling gefällt.
33Noch bist du Cherub. Wenige Wochen,
34Dann ist wohl die Knospe schon aufgebrochen;
35Dann blickst du mit grimmem Schauder auf mich,
36Der dir so zärtlich die Locken strich.
37Wie schade, daß alles Schöne vergeht,
38Auch deine Hoheit. Die Pubertät
39Macht dich den übrigen Flegeln ähnlich.
40Der Duft ist hin und du wirst gewöhnlich.