Detlev von Liliencron: Es lebe der Kaiser! (1876)

1Es war die Zeit um Sonnenuntergang,
2Ich kam vom linken Flügel hergejagt.
3Granaten heulten, heiß im Mörderdrang,
4Hol' euch die Pest, wohin ihr immer schlagt.
5Ich flog indessen, das war nichts gewagt,
6Unter sich kreuzendem Geschoß in Mitten.
7Rechts reden unsre Rohre, ungefragt,
8Links wollen feindliche sich das verbitten.
9Gezänk und Anspuken, ich bin hindurchgeritten.

10Plötzlich erkenn' ich einen Johanniter
11Am roten Kreuz auf seiner weißen Binde.
12Wo kommst du her, du schneidiger Samariter,
13Was trieb dich, daß ich hier im Kampf dich finde?
14Er aber riß vom Haupt den Hut geschwinde,
15Und schwang ihn viel, den seltnen Lüftekreiser,
16Und schwang ihn hoch im schwachen Abendwinde,
17Und rief, vom Reiten angestrengt und heiser,
18Gestern ward unser greiser, großer König Kaiser.

19Und zum Salute donnern die Batterieen
20Den Kaisergruß, wie niemals er gebracht.
21Zweihundertfünfzig heiße Munde schrieen
22Den Gruß hinaus mit aller Atemmacht.
23Scheu schielt aus gelbgesäumter Wolkennacht
24Zum ersten Mal die weiße Wintersonne,
25Und schwefelfarben leuchtete die Schlacht
26Bis auf die fernst marschierende Kolonne –
27Daß hoch mein jung Soldatenherze schlug in Wonne.

28Tot lag vor mir ein Garde mobile du Nord,
29Es scharrt mein Fuchs und blies ihm in die Haare.
30Da klang ein Ton herüber an mein Ohr,
31Den Höllenlärm durchstieß der Ton, der klare.
32Nüchtern, nicht wie die schmetternde Fanfare,
33Klang her das Horn von jenen Musketieren.
34Daß dir, mein Vaterland, es Gott bewahre,
35Das Infanterie Signal zum Avancieren.
36Dann bist du sicher vor Franzosen und Baschkiren.

37Zum Sturm, zum Sturm! Die Hörner schreien! Drauf!
38Es sprang mein Degen zischend aus dem Gatter.
39Und rechts und links, wo nur ein Flintenlauf,
40Ich riß ihn mit ins feindliche Geknatter.
41Lerman, Lerman! Durch Blut, Gewehrgeschnatter,
42Durch Schutt und Qualm! Schon fliehn die Kugelspritzen.
43Der Wolf brach ein, und matter wird und matter
44Der Widerstand, wo seine Zähne blitzen.
45Und Siegesband umflattert unsre Fahnenspitze.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Detlev von Liliencron (1844-1909)

* 06/03/1844 in Kiel, † 07/22/1909 in Rahlstedt

männlich

deutscher Autor

(Aus: Wikidata.org)

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