1Wenn ich allein bin, werden meine Ohren lang,
2Meine, meine Pulse horchen bang
3Auf queres Kreischen, sterbenden Gesang
4Und all die Stimmen scheeler Leere.
5Wenn ich allein bin, leck ich meine Träne.
6Wenn ich allein bin, bohrt sich meine Schere,
7Die Nagelschere in die Zähne;
8Sielt höhnisch träge sich herum die Zeit. –
9Der Tropfen hängt. – Der Zeiger steht. –
10Einmal des Monats steigt ein Postpaket
11Aufrührerisch in meine Einsamkeit.
12So sendet aus Meran die Tante Liese
13Mir tausend fromme, aufmerksame Grüße;
14Ein jeden einzeln sauber einpapiert,
15Mit Schleifchen und mit Fichtengrün garniert,
16Vierblätterklee und anderm Blumenschmuck –
17Ich aber rupfe das Gemüse
18Heraus mit einem scharfen Ruck,
19Zerknülle flüchtig überfühlend
20Den Alles-Gute-Wünsche-Brief
21Und fische giftig tauchend, wühlend,
22Aus all den Knittern und Rosetten
23Das einzige, was positiv:
24Zwei Mark für Zigaretten.
25Die Bilder meiner Stube hängen schief.
26In meiner Stube dünsten kalte Betten.
27Und meine Hoffart kuscht sich. Wie ein Falter
28Sich ängstlich einzwängt in die Borkenrinde.
29Wenn ich allein bin, dreht mein Federhalter
30Schwarzbraunen Honig aus dem Ohrgewinde.
31Bin ich allein: Starb, wie ein Hund verreckt,
32Hat mich ein fremdes Weib mit ihren Schleiern
33Aus Mitleid oder Ekel zugedeckt.
34Doch durch die Maschen seh ich Feste feiern,
35Die mich vergaßen über junger Lust. –
36Ich reiße auseinander meine Brust
37Und lasse steigen all die Vögel, die
38Ich eingekerkert, grausam dort gefangen,
39Ein Leben lang gefangen hielt, und nie
40Besaß. Und die mir niemals sangen.
41Wenn ich allein bin, pups' ich lauten Wind.
42Und bete laut. Und bin ein uralt Kind.
43Wenn ich –