Joachim Ringelnatz: Einsiedlers Heiliger Abend (1908)

1Ich hab' in den Weihnachtstagen –
2Ich weiß auch, warum –
3Mir selbst einen Christbaum geschlagen,
4Der ist ganz verkrüppelt und krumm.

5Ich bohrte ein Loch in die Diele
6Und steckte ihn da hinein
7Und stellte rings um ihn viele
8Flaschen Burgunderwein.

9Und zierte, um Baumschmuck und Lichter
10Zu sparen, ihn abends noch spät
11Mit Löffeln, Gabeln und Trichter
12Und anderem blanken Gerät.

13Ich kochte zur heiligen Stunde
14Mir Erbsensuppe mit Speck
15Und gab meinem fröhlichen Hunde
16Gulasch und litt seinen Dreck.

17Und sang aus burgundernder Kehle
18Das Pfannenflickerlied.
19Und pries mit bewundernder Seele
20Alles das, was ich mied.

21Es glimmte petroleumbetrunken
22Später der Lampendocht.
23Ich saß in Gedanken versunken.
24Da hat's an die Türe gepocht,

25Und pochte wieder und wieder.
26Es konnte das Christkind sein.
27Und klang's nicht wie Weihnachtslieder?
28Ich aber rief nicht: »Herein!«

29Ich zog mich aus und ging leise
30Zu Bett, ohne Angst, ohne Spott,
31Und dankte auf krumme Weise
32Lallend dem lieben Gott.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Author

Joachim Ringelnatz (1883-1934)

* 08/07/1883 in Wurzen, † 11/17/1934 in Berlin

männlich, geb. Bötticher

natürliche Todesursache - Tuberkulose

deutscher Schriftsteller, Kabarettist und Maler

(Aus: Wikidata.org)

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