Louise Aston: 8. Lebensmotto (1842)

1Fromme Seelen, fromme Herzen,
2Himmelssehnend, lebenssatt;
3Eine finst're Schädelstatt!
4Mag in schreckenden Gesichten
5Bang vor
6Nie soll mich der Schmerz vernichten,
7Nie zerknirscht und reuig seh'n!

8Mich auf weiten Fluten trägt:
9Deinen Tiefen freudig lauschend
10Steh' ich sinnend, stummbewegt.
11Stürzt Gewittersturm, der wilde,
12Jauchzend sich in's Meer hinein,
13Schau' ich in dem Flammenbilde
14Meines Lebens Wiederschein.

15Von dem blinden Wahn verkannt,
16Oft gemartert, oft geknechtet,
17Ohne Recht und Vaterland;
18Fester Bund von stolzen Seelen
19Den des Lebens Glut gebar,
20Freier Herzen freies Wählen,
21Vor der Schöpfung Hochaltar!

22Und so lang' die Pulse beben,
23Bis zum letzten Athemzug,
24Weih' der Liebe ich dies Leben,
25Ihrem Segen, ihrem Fluch!
26Schöne Welt, du blühend Eden,
27Deiner Freuden reicher Schatz
28Giebt für alle Schicksals Fehden
29Vollen, köstlichen Ersatz!

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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